Presseinformation 051/2016

Photoschaltbarer Tumorwirkstoff bewährt sich im Labor

Forschende des KIT entwickeln ein sauerstoffunabhängiges, photoschaltbares Molekül und testen es erfolgreich im Labor auf seine Wirkung gegen Tumore
Das Molekül GS-DProSw kann aus seiner inaktiven Form (blau) durch sichtbares Licht aktiviert werden (rot), und durch UV Licht wieder „abgeschaltet“ werden (Bild. KIT).
Das Molekül GS-DProSw kann aus seiner inaktiven Form (blau) durch sichtbares Licht aktiviert werden (rot), und durch UV Licht wieder „abgeschaltet“ werden (Bild. KIT).

Photoschaltbare Wirkstoffe könnten die Nebenwirkungen einer Chemotherapie verringern. Bisher sind photodynamische Therapien auf Sauerstoff im Gewebe angewiesen. Doch in bösartigen, schnell wachsenden Tumoren ist Sauerstoff knapp. Eine Forschergruppe des KIT und der Universität Kiew hat nun mit einem photoschaltbaren Molekül die Grundlage für eine Sauerstoff-unabhängige Methode entwickelt. In der Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ berichten sie über erfolgreiche Tests im Labor an Tumoren. DOI: 10.1002/ange.201600506.

 

Zur photodynamischen Therapie (PDT) in der Medizin wird üblicherweise eine Substanz eingesetzt, die auf Licht reagiert und den Sauerstoff im Gewebe in aggressive Radikale verwandelt. Diese reaktiven Stoffe sind toxisch und schädigen die umliegenden Zellen, sodass etwa Tumore abgebaut werden können. Da jedoch viele Tumore durch ihr schnelles Wachstum einen hohen Sauerstoffverbrauch haben, verringert dies die verfügbare Konzentration im Gewebe, was eine konventionelle PDT erschweren kann.

 

Forscherinnen und Forscher des KIT und der Universität Kiew entwickelten nun ein neues photoschaltbares Molekül, das eine sauerstoffunabhängige PDT ermöglicht. Die Wirkung des Moleküls GS-DProSw lässt sich vor der Therapie durch ultraviolettes Licht „ausschalten“. Erst nach Verabreichung wird es durch sichtbares Licht gezielt im Tumorgewebe „angeschaltet“, um ausschließlich dort die gewebeschädigende Wirkung zu entfalten. „Die umliegenden Organe bleiben dabei im Dunkeln und werden so vom aktiven Wirkstoff verschont“, erklärt Anne S. Ulrich, Professorin für Biochemie und Direktorin am Institut für Biologische Grenzflächen des KIT. „Dadurch lassen sich die Nebenwirkungen deutlich verringern.“

 

Erstmals getestet wurde das neue Konzept nun an Tiermodellen. Einmal täglich wurde das photoschaltbare Molekül GS-DProSw verabreicht, und die Tumorgeschwüre wurden anschließend für je zwanzig Minuten mit sichtbarem Licht lokal bestrahlt. Nach zehn Tagen PDT-Behandlung waren die Tumore deutlich geschrumpft gegenüber den Vergleichsgruppen, die nicht mit Licht behandelt wurden.

 

Um bei einer PDT eine sauerstoffunabhängige Reaktion hervorzurufen, muss das eingesetzte Molekül zytotoxisch sein – also unabhängig von anderen Reaktionspartnern das Tumorgewebe direkt angreifen. Ein geeignetes Molekül mit zytotoxischen Eigenschaften gegen Tumore ist das Biomolekül Gramicidin S (GS), ein natürliches Antibiotikum. Um zu vermeiden, dass es in gesundem Gewebe Schaden anrichtet, baute das Forschungsteam ein photoschaltbares Diarylethen-Segment in seine ringförmige Struktur ein. Dadurch lässt sich nun die Gestalt des GS-DProSw Moleküls mit Hilfe von Licht zwischen zwei Zuständen hin- und herschalten: Der Wirkstoff kann im inaktiven Zustand verabreicht werden und wird erst durch gezielte Lichtbestrahlung am gewünschten Ort aktiviert. Dort greift er das umliegende Tumorgewebe an und benötigt dafür gegenüber der herkömmlichen PDT keinen Sauerstoff.

 

„Mit diesem ersten Funktionsnachweis sind wir in der Grundlagenforschung für Tumorwirkstoffe einen wichtigen Schritt vorangekommen“, erklärt Ulrich. „Es ist aber noch ein weiter Weg: Um diese Art der photoschaltbaren Moleküle für eine photodynamische Therapie am Menschen zuverlässig nutzbar zu machen, sind noch viele weitere Studien zusammen mit unseren Partnern in Kiew erforderlich.“

 

Oleg Babii, Sergii Afonin, Liudmyla V. Garmanchuk, Viktoria V. Nikulina, Tetiana V. Nikolaienko, Olha V. Storozhuk, Dmytro V. Shelest, Olga I. Dasyukevich, Liudmyla I. Ostapchenko, Volodymyr Iurchenko, Sergey Zozulya, Anne S. Ulrich and Igor V. Komarov: Direct photocontrol of peptidomimetics: an alternative to oxygen dependent photodynamic cancer therapy. Angewandte Chemie (2016). DOI: 10.1002/ange.201600506

 

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.

sn, 06.04.2016
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