Presseinformation 120/2012

Die Baumveredelung – ein Pokerface?

KIT entwickelt neue Methoden zur Sicherheitsuntersuchung veredelter Bäume
Veredelte Blutbuche
Sind diese Veredelungsstellen an einer Blutbuche sicher – oder tickende Zeitbomben? Das KIT entwickelt neue Methoden zur Sicherheitsbeurteilung. (Foto: Sachverständigenbüro Braukmann)

In vielen öffentlichen Bereichen, beispielsweise in Parks oder an Straßen, stehen Bäume, die veredelt wurden. In einigen Fällen verwachsen die Veredelungsstellen schlecht. Sie können zu unvorhersehbaren Sprödbrüchen führen und dadurch weitreichende Schäden verursachen. Am Karlsruher Institut für Technologie wurden nun zwei sich ergänzende Methoden entwickelt, um eine Sicherheitsbeurteilung veredelter Bäume zu ermöglichen.

Für Bäume in öffentlich zugänglichen Bereichen gibt es eine Verkehrssicherungspflicht, aus der sich bei Baumunfällen unter Umständen Haftungsansprüche ableiten lassen. Um das Gefahrenpotenzial von Bäumen zu beurteilen, wurde in der Abteilung Biomechanik von Professor Dr. Claus Mattheck und seinen Mitarbeitern am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) bereits in den neunziger Jahren die Baumkontrollmethode „Visual Tree Assessment“ (VTA) entwickelt. Diese Methode ist heute weltweit verbreitet und dient nicht nur in Deutschland als Grundlage vieler Gerichtsurteile. Von Anfang an wurden ergänzende Untersuchungsmethoden entwickelt und in die Praxis eingeführt.

Nun rückten veredelte Bäume in den Fokus. Eine Veredelung ist die künstliche Verbindung eines laubtragenden Edelreises mit einer bewurzelten Unterlage, eine Art Transplantation der gewünschten Baumart auf ein fremdes Wurzelsystem. Baumschulen führen Veredelungen durch, um genetisch identische Edelreise mit bekannten Eigenschaften zu erzeugen. Sie wollen bestimmte Baumarten an Standorte anpassen oder mit krankheitsresistenten Wurzelsystemen ausstatten.

„Bei neuen Untersuchungen haben wir festgestellt, dass es bei veredelten Bäumen an schlecht verwachsenen Veredelungsstellen gelegentlich zu Sprödbrüchen kommt“, erläutert Claus Mattheck. „Dieses Versagen ist aus dem äußeren Erscheinungsbild des Baumes nicht vorhersagbar: Eine sichere Veredelung ist von einer gefährlichen visuell nicht immer zu unterscheiden.“

 

Längsschnitt durch eine veredelte Blutbuche 

Bei dem getrockneten Längsschnitt durch eine veredelte
Blutbuche zeigen die Trocknungsrisse entlang der
Verwachsungsnaht das Risiko an. (Foto: KIT)


Das Risiko sind nicht-axiale, also quer zum Kraftfluss des Stammes verlaufende Holzfasern, längs derer ein Baum sich plötzlich querspalten kann. Der Baum bricht ohne Vorwarnung auseinander.

Am KIT wurden daher zwei sich ergänzende Methoden entwickelt, die einerseits eine stichprobenartige Selbstkontrolle der Baumschulen ermöglichen und andererseits durch eine invasive Stanzkernentnahme vor Ort über das Visuelle hinausgehende Untersuchungen zur Sicherheitsbeurteilung bereitstellen:

1. Fällt man einen veredelten Baum, sägt ihn längs auf und trocknet die Sägeschnitte, so zeigen Anzahl und Klaffung der Trocknungsrisse entlang der Verwachsungsnaht das Risiko an. Auf diese Weise können Baumschulen die Qualität ihrer Veredelungen selbst stichprobenartig kontrollieren.

2. Stanzt man mit einem Locheisen am stehenden Baum in die Schweißnaht, so lassen sich im Stanzkern, aber auch im Loch Rindeneinschlüsse als Risikoindikator erkennen.

 

In dem Baumstamm, der an einer durch Veredelung entstandenen Schweißnaht ausgestanzt ist, kann der von Rinde umgebene Riss identifiziert werden – ein klarer Risikoindikator. (Foto: Sachverständigenbüro Braukmann) 

In dem Baumstamm, der an einer durch Veredelung entstandenen
Schweißnaht ausgestanzt ist, kann der von Rinde umgebene Riss
identifiziert werden – ein klarer Risikoindikator. (Foto:
Sachverständigenbüro Braukmann)


„Auch ein Endkeil am Ende des Stanzkernes deutet auf Holzfaser-Einrollungen, also Querzug senkrecht zur Faserrichtung hin. Das ist das Spaltungsrisiko, das wir alle vom Holzhacken kennen“, ergänzt Mattheck.

Die neuen Methoden wurden auf zwei großen Baumdiagnosetagungen in England und Deutschland vorgestellt und stießen auf reges Interesse.

 

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.

jh, 10.07.2012
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