Presseinformation 085/2012

Zecken in Baden-Württemberg – ökologisch betrachtet

Parasitologen und Geoökologen erforschen, wie sich Umwelteinflüsse auf die Ausbreitung von Zecken und die von ihnen übertragenen Krankheiten auswirken.
Eine Methode zum Einsammeln von Zecken ist das „Flagging“: Die Tiere beißen sich  in den Stoffbahnen fest. (Foto: Zoologisches Institut, Abt. Ökologie und Parasitologie, KIT)
Eine Methode zum Einsammeln von Zecken ist das „Flagging“: Die Tiere beißen sich in den Stoffbahnen fest. (Foto: Zoologisches Institut, Abt. Ökologie und Parasitologie, KIT)

Durch Zeckenbisse ziehen sich jährlich mehr als 100.000 Menschen eine Borreliose-Infektion zu, etwa 300 erkranken an Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Ein Team aus Parasitologen und Geoökologen untersucht, in welchen Gebieten Zecken welche Krankheitserreger in sich tragen, wo ihre Population besonders hoch ist und welche Umwelteinflüsse dafür verantwortlich sind. Die Ergebnisse sollen helfen, konkretere Impfempfehlungen sowie Zeckenwarnungen herauszugeben. Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg fördert das Vorhaben als BWPLUS-Projekt.

Die in unseren Breitengraden häufigste Zeckenart ist der Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus), der im Laufe seines Lebens die drei Entwicklungsstufen Larve, Nymphe und Adult durchläuft. Um die jeweils nächste zu erreichen, benötigt er je einen Wirt. Hier setzen die KIT-Forscher an: In verschiedenen Gegenden Baden-Württembergs wollen sie die Zecken von Mäusen – den häufigsten Wirtstieren der Larven – absammeln. Die Zecken werden vom Landesgesundheitsamt in Stuttgart auf Krankheitserreger (Pathogene) untersucht, die Mäuse werden markiert und wieder freigelassen. Einige Wochen später sollen in denselben Gebieten erneut Mäuse eingefangen werden. „Anhand der Anzahl der markierten, wiedergefangenen Mäuse lässt sich errechnen, wie viele potenzielle Wirtstiere in einem Gebiet leben“, erklärt KIT-Parasitologe Dr. Trevor Petney. „Wenn wir das oft und lange genug machen, wissen wir, wie leicht sich die Zecken dort infizieren können.“

Die Lebensdauer einer Zecke ist auch abhängig von klimatischen Bedingungen, der Bodenbeschaffenheit und der Vegetation. Die Geoökologen im Forschungsteam betreuen deshalb über zwanzig Stationen in ganz Baden-Württemberg. Dort messen sie unter anderem die Temperatur und Feuchtigkeit über und unter der Erdoberfläche und gleichen diese Daten mit der Zeckenpopulation ab. „So können wir herausfinden, wie sich die physisch-geographischen Eigenschaften einer bestimmten Umgebung  auf die Zecken auswirken“, sagt Dr. Stefan Norra vom Institut für Geographie und Geoökologie. „Bislang dachte man immer, dass Zecken Feuchtigkeit brauchen. Aus einer unserer Vorstudien wissen wir aber, dass zuviel Feuchtigkeit offenbar auch nicht gut für sie ist.“

Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg fördert das Vorhaben als BWPLUS-Projekt zum Thema „Ökologie von Zecken als Überträger von Krankheitserregern in Baden-Württemberg“. Das Projekt am KIT läuft zunächst bis Anfang 2014. Um belastbare Aussagen treffen zu können, soll es aber noch länger fortgeführt werden. Ziel der Wissenschaftler ist es, Zusammenhänge zwischen Zecken, Wirtstieren, Krankheitserregern, klimatischen Bedingungen, Boden und Vegetation aufzuzeigen. „Am Ende sollen Modelle stehen, die uns erlauben, zu sagen, aus welchem Grund in einer bestimmten Gegend häufiger Zecken vorkommen als anderswo und welche Krankheitserreger sie in sich tragen“, sagt KIT-Forscher Stefan Norra. Die Ergebnisse könnten nicht nur helfen, konkretere Impfempfehlungen herauszugeben. Trevor Petney hofft auch, dass sie zu einem gänzlich anderen Umgang mit der Zeckenproblematik führen: „In Deutschland müssen derzeit noch große Landstriche zu Zecken-Hochrisikogebieten erklärt werden. In den USA ist die Forschung bereits so weit, dass sehr feinskalierte und aktuelle Zeckenwarnungen gegeben werden können.“ In Zukunft sollten sich die Bürger auch in Deutschland auf Internetseiten oder per App darüber informieren können, ob ein Waldstück zu einem bestimmten Zeitpunkt als „zeckensicher“ gilt oder ob dort besondere Vorsicht geboten ist.



Das KIT-Zentrum Klima und Umwelt entwickelt Strategien und Technologien zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen: Dafür erarbeiten 660 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 32 Instituten Grundlagen- und Anwendungswissen zum Klima- und Umweltwandel. Dabei geht es nicht nur um die Beseitigung der Ursachen von Umweltproblemen, sondern zunehmend um die Anpassung an veränderte Verhältnisse.

 

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.

che, 23.05.2012
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