Presseinformation 49/2008

Mit Wasserkraft gegen Wassermangel

KIT-Wissenschaftlern gelingt auf Java der weltweit erste Volleinstau einer Karsthöhle
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Wasser aus der Höhle: das Kraftwerk liegt 100 Meter unter der Erdoberfläche
(Abbildung: IWG)

In einer Höhle auf der indonesischen Insel Java haben Wasserbau-Experten des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) ein unterirdisches Stauwerk mit integrierter Wasserkraftanlage errichtet. Ende Juli haben sie die Anlage erfolgreich getestet: Ihnen ist es gelungen, die Karsthöhle vollständig einzustauen. Mit dem weltweit einmaligen Projekt wollen die Wissenschaftler der Wasserknappheit im Süden der Insel begegnen. Ab kommendem Jahr liefert das Höhlenkraftwerk Trinkwasser für 80.000 Menschen.

Das Karstgebiet Gunung Kidul an der Südküste Javas zählt zu den ärmsten Regionen Indonesiens. Für eine ertragreiche Ernte ist der Boden zu karg, in der Trockenzeit versiegen die Fließgewässer. Das Wasser der Regenzeit versickert rasch. „Es sammelt sich aber in einem unterirdischen Höhlensystem“, erklärt Professor Franz Nestmann, Projektleiter vom Institut für Wasser und Gewässerentwicklung (IWG) der Universität Karlsruhe. „Diesen natürlichen Wasserspeicher haben wir mit dem Höhlenkraftwerk erschlossen.“ Er und sein Team haben dazu Technologien entwickelt, die an die Natur und die Menschen vor Ort angepasst sind – ein Projekt mit Modellcharakter, so Nestmann: „Es lässt sich auf Karstgebiete in der ganzen Welt übertragen, beispielsweise in Laos, Thailand oder Sri Lanka“. Seit sieben Jahren fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Vorhaben, in dem deutsche und indonesische Wissenschaftler mit Industriepartnern beider Länder zusammenarbeiten. Insgesamt betrug die Fördersumme des BMBF drei Millionen Euro.

„Über 1000 Liter Wasser pro Sekunde fließen selbst in der Trockenzeit durch die Höhle Bribin – hier haben wir einen idealen Ort gefunden, um das Stauwerk zu bauen“, erklärt Dr. Peter Oberle vom IWG. Der Wasserdruck treibt nun Turbinen an, die über ein Getriebe mit Förderpumpen gekoppelt sind. Sie drücken einen Teil des Wassers 200 Meter hoch in einen Speicher. „Mit dem geglückten Probeeinstau haben wir den Knackpunkt unseres Projektes überwunden“, sagt Oberle. „Wir wissen jetzt, dass die Höhle das Wasser tatsächlich hält und wir die notwendige Stauhöhe von 15 Metern erreichen.“

In den kommenden Monaten installieren die Ingenieure weitere Fördermodule und bauen das Leitungssystem aus. Zur nächsten Trockenzeit ab Mai 2009 soll die Anlage vollständig in Betrieb sein. Dann kann sie 80.000 Menschen mit je 70 Litern Wasser am Tag versorgen. „Bisher stehen den Bewohnern in der Trockenzeit fünf bis zehn Liter am Tag für Körperpflege, Haushalt und Vieh zur Verfügung. Jeder Deutsche verbraucht dafür im Schnitt 120 Liter“, sagt Dr. Muhammad Ikhwan vom IWG. In der Region Gunung Kidul leben insgesamt 260.000 Menschen.

Seit 2000 sind die Karlsruher Wissenschaftler regelmäßig in Indonesien. Dem Baustart ging eine detaillierte Machbarkeitsstudie voraus. Das IWG arbeitete dabei eng mit den Instituten für Massivbau und Baustofftechnologie, für Bodenmechanik und Felsmechanik, dem Geodätischen Institut sowie dem Institut für Mineralogie und Geochemie der Universität Karlsruhe zusammen. Geografen der Universität Giessen unterstützen mit einer sozioökonomischen Analyse. Gemeinsam mit mehreren Industriepartnern entstanden schließlich die passenden Technologien. Die Herrenknecht AG (Tunnelvortriebstechnik) und die KSB AG (Pumpentechnologie) förderten das Projekt außerdem mit einer Million Euro. Auf indonesischer Seite sind die Regierung der Provinz Yogyakarta sowie Partner aus Wissenschaft und Industrie eingebunden.

Diese Zusammenarbeit wird auch nach Abschluss der Arbeiten in der Höhle Bribin weitergehen. Vor wenigen Tagen hat das BMBF das Folgeprojekt „Integriertes Wasserressourcen-Management (IWRM)“ bewilligt. Universität und Forschungszentrum Karlsruhe kümmern sich in dem mehrjährigen Verbundprojekt neben dem Erschließen der unterirdischen Wasservorräte auch um die Verteilung des Wassers, die Wasserqualität sowie die Abwasserentsorgung.

Außerdem wollen die Wasserbau-Experten ein zweites Konzept zur Wassergewinnung testen, das sich vor allem für Höhlen mit starkem Gefälle eignet. In der Höhle Seropan verlegen die Wasserbau-Experten eine Druckrohrleitung aus Holz, an die sie wiederum ein Fördermodul anschließen. Diese Anlage soll dann noch einmal 80.000 Menschen versorgen. Kooperationspartner ist hier unter anderem die Versuchsanstalt für Stahl, Holz und Steine der Universität Karlsruhe.

Weitere Informationen zu den Verbundaktivitäten liefert die Seite zur Höhlenbewirtschaftung im Internet.

Test geglückt: Professor Franz Nestmann (vorne rechts) und Dr. Peter Oberle (hintere Reihe,
dritter von links) feiern das erste geförderte Wasser mit Mitarbeitern und Anwohnern.
(Foto: IWG)

Im Karlsruher Institut für Technologie (KIT) schließen sich das Forschungszentrum Karlsruhe in der Helmholtz-Gemeinschaft und die Universität Karlsruhe zusammen. Damit wird eine Einrichtung international herausragender Forschung und Lehre in den Natur- und Ingenieurwissenschaften aufgebaut. Im KIT arbeiten insgesamt 8000 Beschäftigte mit einem jährlichen Budget von 700 Millionen Euro. Das KIT baut auf das Wissensdreieck Forschung – Lehre – Innovation.

Die Karlsruher Einrichtung ist ein führendes europäisches Energieforschungszentrum und spielt in den Nanowissenschaften eine weltweit sichtbare Rolle. KIT setzt neue Maßstäbe in der Lehre und Nachwuchsförderung und zieht Spitzenwissenschaftler aus aller Welt an. Zudem ist das KIT ein führender Innovationspartner für die Wirtschaft.

le, 13.08.2008
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