Verstrickungen mit dem NS-Regime
Es gehört zur Kultur des KIT, die eigene Geschichte vorbehaltlos zu betrachten, wissenschaftlich aufzuarbeiten und sich damit aktiv auseinanderzusetzen. Einen besonderen Bedarf nach weiterer Aufklärung sieht das KIT bei Verstrickungen von ehemaligen Mitgliedern und Angehörigen beider Vorgängerinstitutionen mit dem nationalsozialistischen Regime.
Um die noch nicht hinreichend geklärten Rollen von Personen zu erforschen, die während der NS-Zeit oder aber auch anschließend Spitzenämter in der Technischen Hochschule und im Kernforschungszentrum / Forschungszentrum bekleideten, hat das KIT im Jahr 2024 beschlossen, ein historisches Gutachten in Auftrag zu geben, in dem das Verhalten von belasteten Führungspersönlichkeiten und die Rolle der Institution im Nationalsozialismus untersucht werden.
Ehrensenatoren
Hinsichtlich der verstorbenen Ehrensenatoren der Technischen Hochschule und späteren Universität Karlsruhe, werden aus heutiger Sicht die Biografien einiger Personen anders bewertet als zu Zeiten ihrer Ehrung. Bei einigen der damaligen Ehrensenatoren würde man die Ehrung heute nicht mehr vornehmen, da es in deren Leben Zeiten gab, zu denen sie in schwerwiegender Weise unethisch gehandelt haben.
So hat das KIT nach Bekanntwerden von Vorwürfen gegen den 1969 zum Ehrensenator der Universität Karlsruhe ernannten früheren kaufmännischen Geschäftsführer (1956-1974) des ehemaligen Kernforschungszentrums Karlsruhe, Dr. Rudolf Greifeld, ein externes Gutachten erstellen lassen, in dem diese Vorwürfe umfassend geprüft wurden. Im Dezember 2015 folgten das Präsidium des KIT und der KIT-Senat den auf diesem Gutachten basierenden Empfehlungen der Ethikkommission des KIT und distanzierten sich von der damaligen Ehrung. Der KIT-Senat betonte: Nach dem heutigen Kenntnisstand und auf der Basis ethischer Bewertungen würde die Ehrung von Dr. Rudolf Greifeld nicht mehr erfolgen. Gleichzeitig bedauerte der KIT-Senat die damalige Ehrung.
Führungspersönlichkeiten
Ganz grundsätzlich ist bei Personen, die zur Zeit des Nationalsozialismus hohe Führungspositionen in Politik und Wirtschaft innehatten, eine Verstrickung mit dem NS-Regime mit hoher Wahrscheinlichkeit gegeben. Dem KIT ist bewusst, dass nicht nur politische Ämter, sondern zum Beispiel auch die Mitgliedschaft im Vorstand eines großen Unternehmens während der NS-Zeit oft zu Verstrickungen mit dem Regime führte. So war beispielsweise der 1950 zum Ehrensenator der Technischen Hochschule Karlsruhe ernannte Prof. Dr. Carl Wurster Vorstandsmitglied der I.G. Farben und so mindestens beteiligt an der massenhaften Versklavung von KZ-Häftlingen. Weitere damals Geehrte, die während der NS-Zeit Führungspositionen in Wirtschaft und Gesellschaft innehatten, sind zum Beispiel:
- Arthur Barth
- Dr. Rudolf Bingel
- Dr. Franz Burda
- Dr. Oskar Hüssy
- Dr. Robert Ley
- Hermann Linnemann
- Dr. Albert Vögler
KIT stellt sich der Verantwortung
Das KIT ist sich bewusst, dass die damalige Ehrung von Personen mit Nähe zum Nationalsozialismus Teil der eigenen Geschichte ist, stellt sich der Verantwortung und setzt sich daher immer wieder mit seiner Vergangenheit und deren aktueller Bewertung auseinander. Daher sind in der Darstellung der verstorbenen Ehrensenatoren alle Personen aufgelistet – auch solche, die das KIT heute nicht mehr ehren würde.
Der KIT-Senat ist der vorherrschenden Rechtsauffassung gefolgt, dass die Ehrung als höchstpersönliches Recht mit dem Tod des oder der Geehrten erlischt und damit eine nachträgliche Aberkennung faktisch nicht mehr möglich ist. Die oben genannte beispielhafte Aufzählung steht deshalb auch als Aufforderung zur kritischen Reflexion und soll zum Ausdruck bringen, dass das KIT zu seiner Geschichte steht, auch wenn sie belastende Aspekte – etwa in Gestalt von belasteten Personen, aber auch in Gestalt von Entscheidungen – zum Inhalt hat. Der KIT-Senat bedauert, dass es Ehrungen von Personen gab, die in Aktivitäten des nationalsozialistischen Unrechtsstaats verstrickt waren.
Wissenschaft lebt von Offenheit, Toleranz und Vielfalt – Werte, mit denen der Nationalsozialismus brach. Es liegt in der besonderen Verantwortung der Wissenschaft, diese Werte heute und in Zukunft zu verteidigen. Dazu ist es wichtig, sich insbesondere immer wieder mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen.