Mit Detektivarbeit Solarzellen revolutionieren

Perowskit-Halbleiter und KI treiben die Entwicklung der Solarzellen der nächsten Generation voran

Wissenschaft und Detektivarbeit ähneln sich in gewisser Weise: Beide suchen nach Hinweisen, analysieren Daten und verfolgen Spuren, um bahnbrechende Entdeckungen zu machen. In den Laboren des KIT haben Forschende mit akribischer Arbeit eine neue Technologie entwickelt, die das Potenzial hat, die Effizienz von Solarzellen erheblich zu steigern und den Photovoltaikmarkt zu revolutionieren.

„Die Suche nach neuen, besseren Materialien für die Photovoltaik ist essenziell, um die Energiewende zu beschleunigen. Die Perowskit-Halbleiter habe ich aber eher zufällig entdeckt. Als junger Postdoc am Interuniversity Microelectronics Centre in Belgien wollte ich eigentlich an organischen Solarzellen arbeiten. Eine strategische Neuausrichtung kurz nach meinem Start zwang mich, neue Ansätze zu suchen und bei den Perowskit-Halbleitern bin ich fündig geworden“, beschreibt Professor Ulrich Paetzold den Beginn seiner Spurensuche.

Seit 2014 beschäftigt er sich intensiv mit Perowskit, seit 2016 am Institut für Mikrostrukturtechnik des KIT. „Erst wenige Jahre zuvor entdeckten Forschende diese Materialklasse für die Photovoltaik“, erzählt Paetzold. Perowskit-Halbleiter zeichnen sich durch ihre spezifische Kristallstruktur aus und haben in der Solarzellenforschung viel Aufmerksamkeit erregt. Im Vergleich zu klassischen siliziumbasierten Anwendungen bieten sie zahlreiche Vorteile, darunter eine hohe Defekttoleranz und eine exzellente optoelektronische Qualität – Eigenschaften, die für Paetzold genug waren, eine heiße Spur zu vermuten.

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Chancen

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Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen

Eine solche hat auch Pascal Friederich vom Institut für Theoretische Informatik des KIT gefunden. Der Tenure-Track-Professor für Künstliche Intelligenz in der Materialforschung hatte eine harte Nuss zu knacken. „Der Raum möglicher Materialien ist quasi unendlich groß“, erklärt Friederich. „Materialien zu finden, die genau die Eigenschaften haben, die wir für die relevanten Anwendungen benötigen, ist eine der großen Herausforderungen der Materialwissenschaften.“

Hier kommt die KI ins Spiel. Durch den Einsatz von Machine Learning können Forschende existierende Daten effizient nutzen, um neue Materialien zu finden. So verwendete Friederich beispielsweise hundert experimentell hergestellte Photovoltaik-Materialien und analysierte diese, um Machine Learning-Modelle zu trainieren. Die Modelle wiederum unterstützten anschließend dabei, die vielversprechendsten nächsten Experimente auszuwählen. „Aus einer ungerichteten Suche wird damit eine gezielte und effiziente Exploration der informativsten Materialkandidaten“, so Friederich.

KI-Expertise und praktische Anwendungen kombinieren

Doch auch die weltbesten Detektive arbeiten im Team am besten. Deshalb ergänzen sich Friederich und Paetzold perfekt. Während Friederich die Algorithmen für die effiziente Suche nach neuen Materialien beisteuert, bringt Paetzold sein Wissen über die praktischen Anwendungen und zielführenden Experimente ein. Gemeinsam arbeiten sie in den beiden Helmholtz-Projekten Solar TAP und SOL-AI daran, mit möglichst wenigen Experimenten ans Ziel zu kommen. Ihre Mission: Die Entdeckung neuer Materialien, die die Effizienz von Solarzellen in die Höhe treiben.

Dabei setzen sie auch auf digitale Zwillinge, also virtuelle Kopien, die ein reales Objekt realitätsgetreu abbilden. Dank dieser Simulationen können die Forschenden Daten aufnehmen und Prozesse, Leistungsergebnisse oder Probleme simulieren und ausbessern. „Damit erreichen wir das Beste aus der realen und der virtuellen Welt“, sagt Friederich. Durch die Kombination von physikalischem Verständnis und empirischen Beobachtungen könnten sie die Menge der notwendigen Daten verringern und trotzdem alle Vorteile der KI-Methoden zur Beschleunigung der Materialentwicklung nutzen.

Herausforderungen und Rätsel der Materialforschung

Eine der größten Hürden, die Friederich und Paetzold bewältigen müssen, ist die Langzeitstabilität der Materialien. „Perowskit-Solarzellen neigen dazu, unter Feuchtigkeit, Sauerstoff und hohen Temperaturen zu degradieren“, erklärt Paetzold. „Das beeinträchtigt ihre Lebensdauer und Effizienz.“ Auch die Skalierbarkeit der Herstellungsverfahren ist noch ein Problem. Damit die Forschenden die Technologie massenhaft einsetzen können, sind kostengünstige und zuverlässige Produktionsprozesse notwendig.

Hinsichtlich der KI gäbe es ebenfalls noch offene Fragen, sagt Friederich: „Was uns in der Materialforschung fehlt, sind erklärbare Machine Learning-Ansätze. Wir arbeiten daran, Modelle zu entwickeln, die nicht nur Vorhersagen treffen, sondern auch erklären können, warum bestimmte Materialien bestimmte Eigenschaften haben.“ Diese Erklärungen könnten dazu beitragen, neue Theorien und Modelle in der Materialwissenschaft zu entwickeln.

Die Zukunft der Solarzellen

„Ich bin optimistisch, dass wir in den kommenden fünf bis zehn Jahren große Fortschritte im Bereich der Solarzellen sehen werden“, gibt Paetzold einen Ausblick. Bereits heute hätten erste Unternehmen kommerzielle Tandem-Solarmodule auf Basis von Perowskit und Silizium hergestellt. Im Labormaßstab konnten Forschende des KIT sogar Wirkungsgrade von über 30 Prozent erreichen.

Auch Friederich blickt zuversichtlich in die Zukunft. „Von meiner Forschungsgruppe können Sie sich hoffentlich auf bahnbrechende neue Methoden freuen“, sagt er. „Diese Methoden werden wir in Kollaborationsprojekten einsetzen, um neue Materialien zu finden – vor allem im Bereich der grünen Energien.“

Maximilian Ferber, 22.04.2025

Ulrich Paetzold arbeitet in einer Labor-Handschuhbox mit Proben. Daryoush Djavadi, KIT
Professor Ulrich Paetzold forscht an Perowskit-Halbleitern, die zahlreiche für die Photovoltaik vielversprechende Eigenschaften aufweisen.
Pascale Friederich im Serverraum des Hochleistungsrechners Horeka am KIT. Ein Techniker arbeitet im Hintergrund. Amadeus Bramsiepe, KIT
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