"150th Anniversary Weltkongress Chemie": Fortschritt und Herausforderungen der Chemie

Das KIT feierte mit einem Jubiläumskongress eines der wichtigsten Ereignisse seiner Geschichte.

Gruppenfoto mit Organisatoren und ReferentenAls im September 1860 etwa 130 Chemiker aus Deutschland, Europa und sogar aus Übersee zum 1. Weltkongress Chemie in Karlsruhe zusammenkamen, stand nicht weniger als die Zukunft der Chemie auf dem Spiel. Uneinheitliche Ansichten über den Bau von Molekülen machten einen Austausch von Erkenntnissen und damit eine produktive Forschung zunehmend unmöglich. Der Kongress führte zu einem Neudenken und letztlich zur Entwicklung des Periodensystems durch Meyer und Mendelejew. An diesen eminent wichtigen Kongress zu erinnern, war die Absicht des Jubiläumskongress "150th Anniversary Weltkongress Chemie" am 3. und 4. September in Karlsruhe.

Über 500 Teilnehmer diskutierten über zehn Vorträge zum Thema "Progress and Challenges in Chemistry". Die enormen Herausforderungen, denen sich die Menschheit heutzutage stellen muss und zu deren Lösung die Chemie maßgeblich beitragen wird, sind rasch definiert: Nahrung, sauberes Trinkwasser, Energie, Wohnraum und medizinische Versorgung für eine ständig steigende Weltbevölkerung unter gleichzeitiger Berücksichtigung von Umwelt- und Klimaaspekten.

Fortschritt und Herausforderungen

Der Nobelpreisträger Paul Crutzen sprach über die Auswirkung von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen auf das Klima. Er zeigte, dass durch ein grundlegendes Verständnis der chemischen Zusammenhänge Klimaveränderungen verlangsamt oder sogar verhindert werden können.

Nobelpreisträger Schrock, Crutzen und Lehn (v.l.n.r) mit KIT-Präsident Hippler (2. v.r.)Ferdi Schüth und Helmut Schwarz führten aus, wie in Zeiten zunehmend knapper werdenden Erdöls chemische Grundchemikalien zugänglich bleiben. Grundlage hierfür können das noch reichlich vorhandene, aber chemisch nahezu inerte Methan sein oder aber auch nachwachsende Rohstoffe wie Schilfgras. Beide Redner verfolgen sehr unterschiedliche wissenschaftliche Ansätze und belegen dadurch, dass zur Lösung grundlegender Probleme verschiedene Disziplinen in der Chemie und in den angrenzenden Wissenschaften beitragen müssen.

Andreas Kreimeyer, Mitglied des Vorstands in der BASF, stellte dar, welche Beiträge zur Lösung von globalen Problemen aus der chemischen Industrie kommen können.

Viele chemische Prozesse, beispielsweis solche zur Abgasbehandlung oder zur Synthese von Verbindungen, bedienen sich der Katalyse. Dabei sind einerseits die Entwicklung von möglichst leistungsfähigen Katalysatoren, andererseits aber auch ein tiefes Verständnis der katalytischen Prozesse wichtig. Nobelpreisträger Richard Schrock stellte seine neuesten Katalysatoren für die Herstellung von chemischen Verbindungen vor; Hans-Joachim Freund berichtete über die atomaren Vorgänge an der Oberfläche von Katalysatoren.

Der dritte Nobelpreisträger in der Gruppe der Vortragenden, Jean-Marie Lehn, präsentierte, wie chemische Verbindungen so konzipiert und ausgewählt werden können, dass sie sich selbst zu komplexen und wohldefinierten Strukturen aggregieren.

"The Chemical Revolution in Karlsruhe"

Bei diesem Jubiläumskongress sollte aber auch ein historischer Rückblick nicht zu kurz kommen: Alan Rocke berichtete in seinem Vortrag "The Chemical Revolution in Karlsruhe" über die historischen Ereignisse, die letztlich auch zur Entwicklung des Periodensystems der Elemente (PSE) führten, während Peter Armbruster in einem sehr persönlichen Vortrag schilderte, wie es ihm gelang, fünf neue Elemente für das PSE, unter anderem das Darmstadtium, zu entdecken.

Welche Erkenntnisse man auch heute noch für das PSE gewinnen kann, erläuterte Pekka Pyykkö: Dass Gold seine charakteristische Farbe hat und dass Quecksilber flüssig ist, ist auf relativistische Effekte zurückzuführen.

Besonderer Dank gilt der Familie Weltzien (den Ur- und Ururenkeln des Organisators des 1860er Kongresses, Carl Weltzien), die dem Archiv des KIT aus diesem Anlass zahlreiche Briefe überlassen hat, unter anderem von Bunsen, Erlenmeyer, Fehling, Helmholtz, Kirchhoff, Liebig, Pasteur und Wöhler.

Bild 1: Kongress-Organisatoren und Referenten
Bild 2: Die drei Nobelpreisträger Richard Schrock, Paul Crutzen und Jean-Marie Lehn (v.l.n.r.) mit KIT-Präsident Horst Hippler (2. v.l.).
(Fotograf: Alex Stiebritz / AMX-Design)


Joachim Podlech, 07.09.2010