Materialtechnologie: Freistehende Wände aus Wasser

Stabile flüssige Wände sind selbstreparierend, anpassungsfähig und interessant für die miniaturisierte Chemie und Biologie
Keine festen Wände, sondern freistehende 3D-Flüssigkeitswände: Sie haben den Vorteil, selbstreparierend und flexibel zu sein und können Komponenten aus der eingeschlossenen Flüssigkeit extrahieren. (Bildquelle: Johannes Scheiger, KIT)
Keine festen Wände, sondern freistehende 3D-Flüssigkeitswände: Sie haben den Vorteil, selbstreparierend und flexibel zu sein, und können Komponenten aus der eingeschlossenen Flüssigkeit extrahieren. (Bildquelle: Johannes Scheiger, KIT)

Seit Menschengedenken werden Flüssigkeiten in festen Behältnissen wie Krügen oder Bechern aus Keramik, Glas oder Kunststoff gelagert. Der feste Behälter dient hierbei lediglich dazu, das Entweichen der Flüssigkeit zu verhindern, und besitzt keine weitere Funktionalität. Ein Forschungsteam des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) konnte nun in einer Studie zeigen, dass reines Wasser auf modifizierten Oberflächen in der Lage ist, Flüssigkeiten wie ein fester Behälter einzugrenzen. Dabei können das Wasser und die eingegrenzte Flüssigkeit beliebige Formen einnehmen.

Als Flüssigkeit verfügt die Wasserbarriere zudem über nützliche Eigenschaften, über die ein Feststoff nicht verfügt, denn Flüssigkeiten sind selbstreparierend und in der Lage, Moleküle aus der eingegrenzten Flüssigkeit zu extrahieren. Die Forschungsarbeiten sind am KIT im Exzellenzcluster „3D Matter Made to Order“ eingebettet. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Zeitschrift Advanced Materials veröffentlicht.

„Die flüssigen Gefäße werden chemisch durch Glasoberflächen mit wasserliebenden und wasserabstoßenden Arealen ermöglicht“, beschreibt das Forschungsteam um Johannes Scheiger und Mariia Kuzina vom Institut für Biologische und Chemische Systeme des KIT den Aufbau. Dazu werden photochemisch Moleküle räumlich gezielt an die Oberfläche gebunden, die mit Wasser stark (wasserliebend) oder schwach (wasserabweisend) wechselwirken.

Wasser kann auf der Oberfläche anschließend einen geschlossenen Ring mit variablem Durchmesser und einer Höhe von einigen Millimetern ausbilden, welcher mit einer anderen Flüssigkeit aufgefüllt werden kann. Der Aufbau der flüssigen Gefäße wurde mit mikroskopischen Methoden analysiert und mit Simulationen auf Plausibilität unterstützt. Dies bringt die gängige Vorstellung ins Wanken, dass für die Lagerung, Formgebung und Handhabung von Flüssigkeiten aus einem Feststoff bestehende Wände notwendig sind. Interessant sind die Forschungsergebnisse für den Einsatz von dynamischen, recyclingfähigen Mikrogefäßen wie Mikrofluidik-Geräte oder Lab-on-a-chip-Anwendungen für Screenings und Extraktionen.

sfo, 25.06.2021