Fritz-Haber-Weg auf dem Campus Süd des KIT

Mit der Benennung des Weges wird an den Nobelpreisträger Fritz Haber erinnert. Die in Habers Lebenslauf aufscheinende Doppelgesichtigkeit wirkungsmächtiger Forschungsergebnisse ist eine Mahnung zum verantwortungsvollen Einsatz wissenschaftlicher Arbeit.

Haber (*1868, +1934) war nach dem Studium der Chemie seit 1894 an der Technischen Hochschule Karlsruhe am Institut für Chemische Technik zunächst als Assistent tätig, habilitierte sich hier und erhielt 1898 den Titel eines außerordentlichen Professors. 1906 wurde der zum ordentlichen Professor am Institut für Physikalische Chemie und Elektrochemie der Technischen Hochschule berufen. In dieser Position leitete er die Forschungsarbeiten zur Entwicklung der künstlichen Ammoniaksynthese.

Nach den ersten Erfolgen bis 1909 wurde der Prozess in Zusammenarbeit mit Carl Bosch als das Haber-Bosch-Verfahren für den industriellen Maßstab entwickelt und patentiert. Die Möglichkeit zur Erzeugung großer Mengen Ammoniak aus Stickstoff und Wasserstoff erlaubte die künstliche Herstellung sowohl von Düngemitteln wie auch von Explosivstoffen. Ein wesentlicher Teil der menschlichen Nahrungsmittel wird seitdem unter Einsatz von Kunstdünger hergestellt. Bevor diese Möglichkeit bestand, sah man sich im frühen 20. Jahrhundert mit der absehbaren Erschöpfung natürlicher Düngervorräte durch einen weltweiten Ernährungsengpass bedroht. Gleichzeitig eröffnete die Ammoniaksynthese eine Perspektive auf eine von Rohstoffimporten unabhängige Herstellung von Schießpulver und Sprengstoffen.

Nach dem Erfolg der Karlsruher Arbeiten wurde Haber 1911 zum Gründungsdirektor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physikalische Chemie und Elektrochemie in Berlin berufen. In dieser Funktion wirkte Haber seit 1914 für den deutschen Generalstab in der Entwicklung von Gaskampfstoffen. Haber stellte die Arbeitskraft seines Instituts für dieses Ziel zur Verfügung und überwachte den Einsatz des Giftgases an der Front. Der im April 1915 mit 150 Tonnen Giftgas erfolgte deutsche Gasangriff bei Ypern (Belgien) war der erste Einsatz von chemischen Kampfstoffen in der Dimension einer Massenvernichtungswaffe. Das unter Habers Leitung entwickelte Chlorgas verursachte Verätzungen der Atemwege und qualvollen Tod.

Seine Ehefrau, die Chemikerin Clara Immerwahr, erschoss sich einige Tage nach dem Angriff, am 2. Mai 1915. Ob ihr Freitod auch als Ausdruck des Protests gegen den Giftgaseinsatz zu sehen ist, ist nicht belegt, gilt aber als wahrscheinlich. Immerwahr hatte bereits im Vorfeld öffentlich gegen die Forschungsaktivitäten ihres Mannes Stellung bezogen.

Als Koordinator von Forschungseinrichtungen auf dem Gebiet der Schädlingsbekämpfung wirkte Haber mit an der Entwicklung von Giftstoffen auf der Basis von Blausäure, die später von den Nationalsozialisten für den Massenmord in den Konzentrationslagern benutzt wurden.

Im Jahr 1919 erhielt Haber nachträglich den Nobelpreis für Chemie für das Jahr 1918 als Anerkennung seiner Arbeiten auf dem Gebiet der Ammoniaksynthese.

Direkt nach dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft war der aus jüdischer Familie stammende Haber als Frontkämpfer des I. Weltkriegs von den damals erfolgenden Entlassungen jüdischer Staatsdiener ausgenommen. Aus Protest gegen die rassistische Verfolgung von Mitarbeitern legte er jedoch sein Amt als Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physikalische Chemie und Elektrochemie nieder. Er folgte der Einladung zu einem Forschungsaufenthalt an der Universität Cambridge. 1934 starb er auf einer Reise in Basel.

Auch heute findet Wissenschaft im Spannungsfeld zwischen Forschungsfreiheit und dem verantwortungsvollen Umgang mit dieser statt. Mit der erklärenden Texttafel zur Wegbezeichnung des Fritz-Haber-Weges auf seinem Campus Süd möchte das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) auf diese Verantwortung der Wissenschaft hinweisen.

Um diesem Spannungsfeld gerecht zu werden, hat der KIT-Senat im Mail 2012 "Leitlinien für ethische Grundsätze des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT)" verabschiedet. Die Leitlinien haben die in Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes geregelte Freiheit von Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre fest im Blick. Sie appellieren gleichzeitig an die Verantwortung aller Beschäftigen und weiteren Mitglieder am KIT für ihr Handeln. Ein wichtiger Grundgedanke der Leitlinien ist, dass Forschung, Lehre und Innovation am KIT dem Erkenntnisgewinn, dem nachhaltigen Nutzen für die Menschheit und dem Schutz der Umwelt dienen sowie friedliche Zwecke verfolgen sollen. (Siehe auch Presseinformation 83/2012, "KIT verabschiedet ethische Leitlinien".)


KIT, im Oktober 2015