Städte fit machen für die Hitze

Forschende des KIT arbeiten an KI-gestützten Modellen, um Städte für Hitzewellen zu wappnen

Extreme Hitze stellt Städte zunehmend vor Herausforderungen. Forschende am KIT entwickeln KI-gestützte Klimamodelle, die helfen, urbane Räume besser zu planen und an den Klimawandel anzupassen. Ihr Ziel: Städte sollen auch in Zukunft lebenswert bleiben – für alle Menschen.

„Hitze ist nicht gleich Hitze“, erklärt Dr. Ferdinand Briegel vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Troposphärenforschung des KIT. Die Belastungsintensität durch hohe Temperaturen hängt von vielen Faktoren ab: Luftfeuchtigkeit, Wind, Schatten, Bodenbelag oder auch von der Bebauung. Gebäudeformen, Materialien, Straßenverläufe, Grünflächen und Wasserflächen beeinflussen, wie sich Hitze in einer Stadt verteilt. Diese Aspekte fließen in einen sogenannten „thermischen Index“ ein – eine Kennzahl, die das Team um Briegel mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) berechnet. Das Modell nutzt dafür neben lokalen Messdaten auch meteorologische Informationen und Stadtstrukturdaten.

Freiburg als Modellstadt

Mit ihrer Methode haben die Forschenden die Stadt Freiburg untersucht. Das KI-Modell kann dort – mit einer Auflösung von einem Meter – stündlich den thermischen Index berechnen. „Wir erfassen jeden Baum und jeden Schattenwurf“, sagt Briegel. Auch die Unterschiede zwischen Tag und Nacht berücksichtigt das Modell. Denn Flächen, die sich tagsüber stark aufheizen, können nachts helfen, Wärme abzuleiten.

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Die Simulationen zeigen: Selbst innerhalb einer Klimazone gibt es große Unterschiede zwischen Stadtvierteln – etwa durch unterschiedliche Vegetation oder variierendes Bebauungsalter. Das Modell erkennt auch, dass Hotspots tagsüber und nachts an verschiedenen Orten liegen. Es erlaubt zudem Prognosen bis ins Jahr 2100 und zeigt, wie sich bauliche und landschaftsplanerische Maßnahmen auswirken.

Grünflächen gezielt einsetzen

„Eine Stadt ist wie ein Mosaik, das atmet“, beschreibt Briegel. Bäume sind wichtig – aber nicht überall sinnvoll. Ein dichtes Kronendach kann Hitze und Feinstaub stauen, wenn die Luftzirkulation fehlt. Auch Schulhöfe lassen sich mit dem Modell gezielt planen: Schattenwurf, Fassadenmaterial und Begrünung beeinflussen das Mikroklima stark.

Ein weiterer Vorteil des Modells: Es ist schnell. Während herkömmliche Simulationen Hochleistungsrechner und mehrere Tage Rechenzeit benötigen, reicht hier ein handelsüblicher Heimcomputer mit einer guten Grafikkarte. Das Modell rechnet in Sekunden, was früher Stunden gebraucht hat. Als Nächstes wollen die Forschenden Paris und weitere Städte in Deutschland analysieren – also Städte mit ganz anderen Strukturen.

Historische Städte im Blick

Auch Stadtplanerinnen und Stadtplaner am KIT nutzen digitale Modelle. Professor Markus Neppl und Dr. Peter Zeile vom Institut Entwerfen von Stadt und Landschaft der KIT-Fakultät für Architektur berechnen Klimaanpassungen und Klimaschutz für Neubaugebiete sowie für historisch gewachsene Städte.

In Landsberg etwa konnten sie geeignete Flächen für Photovoltaik identifizieren – ohne den Denkmalschutz zu verletzen. „Photovoltaik ist auch im historischen Kontext möglich“, sagt Neppl. „Manchmal sind spezielle Module nötig, die teurer sind, sich aber optisch einfügen.“ Das Team berechnet auch, wo Standardmodule eingesetzt werden können, ohne das Stadtbild zu stören.

Fördern statt verbieten

„Wir empfehlen Anreize statt Verbote“, betont Neppl. So würden sich auch private Eigentümerinnen und Eigentümer für den Klimaschutz gewinnen lassen. Das gelte für Solaranlagen ebenso wie für Hitzeschutzmaßnahmen. Zeile ergänzt: „Klimaanpassung wird heute bei jeder Planung mitgedacht – ob Neubau oder Nachverdichtung.“

Doch zwischen Wissen und Umsetzung klafft oft eine Lücke. Für das Gelände des alten Schlachthofs in Karlsruhe riet das Team von einer Verdichtung ab. Stattdessen schlug es Begrünung, Sonnensegel, Fassaden- und Dachbegrünung sowie Wasservernebler vor – letztere scheiterten an den laufenden Kosten.

Langfristig denken

Manche Maßnahmen lassen sich schnell umsetzen. Doch für den Umbau ganzer Stadtviertel oder Städte braucht es Zeit – oft Jahrzehnte. „Für langfristige Planungen sind die neuen KI-Modelle ein großer Gewinn“, sagt Neppl. Sie helfen, heute die Weichen für eine klimaresiliente Zukunft zu stellen. Wer auch im eigenen Garten, auf dem Balkon oder vor der Haustür etwas für das Stadtklima tun möchte, kann schon mit kleinen Maßnahmen viel bewirken. „Ein gut gepflegter Baum spendet nicht nur Schatten, sondern verbessert auch spürbar das Mikroklima“, so Zeile.

Brigitte Stahl-Busse, 09.10.2025

Portraitfoto von Ferdinand Briegel. Chiara Bellamoli, KIT
Ferdinand Briegel untersucht mithilfe von KI, wo und wie sich Hotspots in Städten bilden.
Blick auf Freiburg von oben mit dem Münster im Zentrum. Michael Spiegelhalter
Forschende am KIT haben ein Modell entwickelt, mit dem sie in Freiburg metergenau jeden Schattenwurf berechnen und die Auswirkungen baulicher Maßnahmen bis ins Jahr 2100 simulieren können.
Collage aus einem Foto von Markus Neppl bei einem Vortrag und einem Portraitfoto von Peter Zeile. Kira Heid/Patrick Langer, KIT
Markus Neppl (l.) und Peter Zeile untersuchen Klimaschutz und Klimaanpassungsmöglichkeiten nicht nur in Neubaugebieten, sondern auch in Altstädten.