Der Erfolg der Energiewende hängt mit davon ab, wie gut erneuerbare Energien in das Gesamtsystem integriert werden. Dies betrifft die Netzsteuerung, die Kraftwerksplanung und die Preisgestaltung. Prognosen, wieviel Energie aus Wind, Sonne und Wasser zu jedem künftigen Zeitpunkt verfügbar sein wird, basieren auf riesigen Mengen korrelierter Daten. Professor Steffen Rebennack vom KIT nutzt angewandte Mathematik, um datenbasierte Entscheidungen für und in künftigen Energiesystemen zu optimieren.
Der Energieertrag aus regenerativen Erzeugern wie Windkraft, Photovoltaik oder Wasserkraft ist selbst innerhalb kurzer Zyklen schwer voraussagbar. Wolken, die eine PV-Anlage beschatten, können ihn ebenso schnell beeinflussen wie ein Starkregen, der den Zufluss zu einem Wasserreservoir verändert. Die Herausforderung ist es, dennoch die Energieerzeugung aus unterschiedlichen Quellen so zu steuern, dass eine stabile Versorgung gewährleistet ist und die Kraftwerksbetreiber ökonomisch planen können.
„Diese Unwägbarkeiten spielen in der Energiebranche bei allen operativen und strategischen Entscheidungen eine wichtige Rolle und müssen daher bei einer optimalen Entscheidungsfindung berücksichtig werden“, erklärt Rebennack, neuer Inhaber der Professur für Stochastische Optimierung am Institut für Operations Research (IOR) des KIT. Hiervon sind alle Skalen betroffen, vom 24-Stunden-Strommarkt bis hin zu langfristigen Investitionsentscheidungen. Der Optimierungs-Experte will am KIT einen neuen Ansatz in der Grundlagenforschung weiter verfolgen, um Entscheidungen im Energiebereich trotz vieler unsicherer Parameter zu optimieren.
Ein Beispiel-Szenario: Ein Kraftwerksbetreiber möchte eruieren, auf welche Technologie er langfristig bauen soll. Seiner Entscheidung zugrunde liegen alle stündlichen Spotmarktpreise aus einem Zeitraum von 20 Jahren. Dies ergibt eine Gesamtmenge punktueller Einzelentscheidungen von bis zu 30 Millionen, die alle unter unterschiedlichen Randbedingungen getroffen wurden. Um ein solches Datenvolumen berechnen zu können, adaptiert Rebennack das stochastische Modell „Benders-Dekomposition“ für die Energiesystemtechnik.
Das Modell ist benannt nach dem niederländischen Mathematiker Jacques Benders und basiert darauf, dass spezielle Algorithmen ein Gesamtbild von Einzelentscheidungen wieder in einzelne Fragestellungen und deren unterschiedliche Rahmenbedingungen zerlegen, sie analysieren und wieder zusammen führen. Dieses Verfahren wiederholt sich in ständig wiederkehrenden Schleifen, so genannten Iterationen, bis die Daten möglichst realitätsnah ausgewertet sind und zuverlässige Szenarien beschreiben können.
„Wir arbeiten hier mit einem klassischen Lösungsverfahren aus der angewandten Mathematik“, betont Rebennack. Anhand von Daten des Electric Reliability Council of Texas (ERCOT), dem texanischen Energieversorger, hat er seinen Ansatz bereits erfolgreich getestet. Dieser sei nicht nur für die Energiewirtschaft zukunftsweisend, sondern auch für die Finanzindustrie, Produktionsplanung oder das Gesundheitssystem.
Steffen Rebennack hat nach seinem Mathematikstudium an der Universität Heidelberg an der University of Florida 2010 promoviert und dann an der Colorado School of Mines als Assistant Professor (2010-2015) und Associate Professor (2015-2017) in den USA gelehrt und geforscht. Seit dem Sommersemester 2017 ist er Inhaber der Professur Stochastische Optimierung am Institut für Operations Research (IOR) des KIT. Er und das KIT werden gefördert im Rahmen des Rückkehrprogramms der German Scholar Organization (GSO) und der Carl-Zeiss-Stiftung (CZS).
Details zum KIT-Zentrum Energie: http://www.energie.kit.edu
Im Dialog mit der Gesellschaft entwickelt das KIT Lösungen für große Herausforderungen – von Klimawandel, Energiewende und nachhaltigem Umgang mit natürlichen Ressourcen bis hin zu Künstlicher Intelligenz, technologischer Souveränität und demografischem Wandel. Als Die Universität in der Helmholtz-Gemeinschaft vereint das KIT wissenschaftliche Exzellenz vom Erkenntnisgewinn bis zur Anwendungsorientierung unter einem Dach – und ist damit in einer einzigartigen Position, diese Transformation voranzutreiben. Damit bietet das KIT als Exzellenzuniversität seinen mehr als 10 000 Mitarbeitenden sowie seinen 22 800 Studierenden herausragende Möglichkeiten, eine nachhaltige und resiliente Zukunft zu gestalten. KIT – Science for Impact.
