Ob Verbrennungsmotor, Hybrid- oder Elektroantrieb: Die Anforderungen an Fahrzeuge steigen, ihre Entwicklung wird immer komplexer. Einen Ansatz, diese effizient zu gestalten, bietet das Integrierte Produktentstehungsmodell (iPeM) des IPEK – Institut für Produktenwicklung am KIT. Zentrales Element ist dabei eine frühzeitige und effiziente Validierung: Die Bestätigung, dass ein Produkt die angedachte Funktion und die Erwartungen der Kunden erfüllt. Hierbei unterstützt das Instrument X-in-the-Loop, das Simulation und reale Tests kombiniert.
„Bei der Fahrzeugentwicklung alle Anforderungen miteinander zu vereinbaren, ist ein schwieriger Prozess“, sagt Sascha Ott, Leiter der Forschungsabteilung Antriebssystementwicklung am IPEK und Geschäftsführer des KIT-Zentrums Mobiltätssysteme. „So geht es beispielsweise darum, den Kraftstoffverbrauch und die Schwingungsentwicklung zu optimieren sowie neue Fahrstrategien zu implementieren. Gleichzeitig soll das Fahrzeug lange halten: unter wechselnden Umweltbedingungen und bei unterschiedlichen Fahrstilen.“ Für komplexe Produktentwicklungen bietet das iPeM einen systematischen, ganzheitlichen Ansatz, der unter anderem die Sicht der Entwickler mit den wirtschaftlichen oder politischen Rahmenbedinungen zusammenbringt, die das Management eines Unternehmens berücksichtigen muss. Zwar unterscheiden sich die Produktenstehungsprozesse individuell, gemeinsam sind ihnen im iPeM jedoch Aktivitäten wie Ideenfindung, Produktion oder Markteinführung. „Eine zentrale Aktivität ist dabei die Validierung“, so Ott. „Das heißt zu überprüfen: Was soll das System können und funktioniert das, was wir vorhaben? Kurz: Arbeiten wir an der richtigen Idee?“ Wichtig ist das nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen: „Rückrufaktionen verursachen schnell extreme Kosten. Wir können unter anderem dazu beitragen, dieses Risiko zu reduzieren und den Entwicklungserfolg zu verbessern.“
Mit der Validierungsumgebung X-in-the-Loop (XiL) erhalten die Ingenieure die dafür notwendigen Informationen schon sehr früh in der Produktentstehung. XiL arbeitet dabei auf verschiedenen Ebenen: von einzelnen Komponenten wie der Kupplung über Teilsysteme wie das Getriebe bis hin zum Gesamtfahrzeug. Abhängig von der jeweils zu untersuchenden Einheit „X“ setzen die Ingenieure reale Tests auf einem der Prüfstände, Simulationen oder eine Kombination aus beiden ein. „Die Reibungsvorgänge in der Kupplung untersuchen wir beispielsweise auf dem Prüfstand, weil es noch schwierig ist, sie in der Simulation abzubilden. Das Restfahrzeug können wir dann dazu simulieren“, erklärt Sascha Ott.
Am Beispiel der Antriebssysteme entwickelt ist XiL auf andere Fahrzeugkomponenten übertragbar. So testen die Wissenschaftler damit unter anderem die Schwingungs- und Geräuscheentwicklung (auch: NVH-Phänomene, von engl. noise, vibration, harshness). „Dass ein Fahrzeug sich gut anhört, ist nicht nur ein Verkaufsargument“, sagt Sascha Ott. „Es geht dabei auch um den Kraftstoffverbrauch: Das Fahrgeräusch soll den Fahrer dabei unterstützen, einen verbrauchsgünstigen Betriebspunkt zu wählen.“
XiL berücksichtigt neben den technischen Systemen auch Umweltbedingungen wie Außentemperatur, Streckenführung und Verkehrssituation sowie unterschiedliche Fahrermodelle und Fahrmanöver – und ist damit ein wichtiges Instrument im Hinblick auf die künftigen Herausforderungen für die Automobilbranche: „Die Wechselwirkungen werden immer komplexer, gleichzeitig gibt es viele unterschiedliche Systeme nebeneinander“, so Ott. „Es gibt einige Möglichkeiten, wie das Auto in 20 Jahren tatsächlich aussehen könnte.“ So werde es beispielsweise auch für das Antriebssystem ein wesentlicher Unterschied sein, ob die Batterie eines Elektroautos immer im Fahrzeug ist oder auch für andere Anwendungen genutzt wird. „Unser Job ist es, darauf mit wissensbasierten und hochflexiblen übertragbaren Methoden vorbereitet zu sein.“
35 Ingenieure arbeiten in der Forschungsabteilung, die Sascha Ott leitet, rund 40 Mannjahre stecken bislang in der Entwicklung von X-in-the-Loop. Die Forschung fließt am IPEK unmittelbar in die Lehre: nicht nur in Studien- und Diplomarbeiten, sondern auch in Projekten, in denen auch Studierende ihre Konzepte auf den verschiedenen Stufen validieren.
Das Zentrum Mobilitätssysteme bündelt die fahrzeugtechnischen Aktivitäten des KIT: An den methodischen und technologischen Grundlagen für die Fahrzeuge der Zukunft arbeiten derzeit knapp 40 Institute am Campus Süd und Nord des KIT mit rund 800 Mitarbeitern. Ziel ist es, energieeffiziente, emissionsarme und sichere Fahrzeuge sowie Mobilitätskonzepte zu entwickeln. Die Wissenschaftler berücksichtigen dabei das komplexe Zusammenspiel von Fahrzeug, Fahrer, Verkehr und Gesellschaft.
Unter dem Motto „Die Zukunft der Mobilität“ präsentiert das KIT am 2. Juli beim Tag der offenen Tür am neuen Standort „Campus Ost – Mobilität und Innovation“ Wissenschaft zum Anfassen. Nähere Informationen: www.pkm.kit.edu/3072.php
Im Dialog mit der Gesellschaft entwickelt das KIT Lösungen für große Herausforderungen – von Klimawandel, Energiewende und nachhaltigem Umgang mit natürlichen Ressourcen bis hin zu Künstlicher Intelligenz, technologischer Souveränität und demografischem Wandel. Als Die Universität in der Helmholtz-Gemeinschaft vereint das KIT wissenschaftliche Exzellenz vom Erkenntnisgewinn bis zur Anwendungsorientierung unter einem Dach – und ist damit in einer einzigartigen Position, diese Transformation voranzutreiben. Damit bietet das KIT als Exzellenzuniversität seinen mehr als 10 000 Mitarbeitenden sowie seinen 22 800 Studierenden herausragende Möglichkeiten, eine nachhaltige und resiliente Zukunft zu gestalten. KIT – Science for Impact.
