Kleiden wie ein Pfau: Lebhafte Farben durch Nanotechnologie

Mikroskopische Analyse der blauen Vogelspinne inspiriert Herstellung von Nanostrukturen – blickwinkelunabhängige, effektvolle Farben für Textil-, Verpackungs- und Kosmetikindustrie
Die blaue Vogelspinne (Poecilotheria metallica) inspirierte Forscher zur Herstellung nicht irisierender struktureller Farben. (Foto: Tom Patterson)
Die optimierte Blumenstruktur ist als 3D-Druck nur 15 Mikrometer groß, ein menschliches Haar ist etwa dreimal so dick. (Foto: Bill Hsiung, Uni Akron)
Die synthetisch erzeugte, von der blauen Vogelspinne inspirierte Blumenstruktur strahlt das Licht in gleicher Farbe über einen Blickwinkel von 160 Grad ab. (Grafik: Derek Miller)

Farben werden auf unterschiedliche Arten erzeugt: Die bekannteste sind Farbpigmente. Die besonders lebhaften Farben der blauen Vogelspinne oder auch auf Pfauenfedern entstehen aber nicht durch Pigmente, sondern durch Nanostrukturen, durch die sich Lichtwellen bei der Reflexion überlagern. Dabei entstehen außergewöhnlich dynamische Farbeffekte. Wissenschaftlern unter Beteiligung des KIT ist es nun gelungen, solche Nanostrukturen nachzubilden, die unabhängig vom Blickwinkel dieselbe Farbe erzeugen.

Strukturell erzeugte Farben sind im Gegensatz zu Farbpigmenten ungiftig, leuchtender und haltbarer, hatten bisher jedoch in der industriellen Fertigung einen großen Nachteil: Sie irisieren, das heißt, die wahrgenommene Farbe hängt vom Blickwinkel ab, wie etwa bei der Rückseite einer CD. Damit sind sie für viele Anwendungen unbrauchbar. Die lebhaften Farben im Tierreich dagegen sind oft vom Blickwinkel unabhängig. Das Gefieder des Eisvogels erscheint immer blau, egal, aus welchem Winkel man ihn betrachtet. Der Grund dafür liegt in den Nanostrukturen: Während regelmäßige Strukturen irisieren, erzeugen amorphe, also unregelmäßige, Strukturen immer dieselbe Farbe. Industriell ist aber nur die Fertigung regelmäßiger Nanostrukturen wirtschaftlich möglich.

Wissenschaftler aus den USA und Belgien um Radwanul Hasan Siddique vom KIT haben nun entdeckt, dass die blaue Vogelspinne nicht irisiert, obwohl auf ihren Haaren regelmäßige Nanostrukturen sitzen. In einer ersten Untersuchung fanden sie eine mehrschichtige, blumenähnliche Struktur, deren Reflexionsverhalten sie anschließend in Computersimulationen analysierten. Gleichzeitig fertigten sie mit Nano-3D-Druckern Modelle dieser Strukturen an und optimierten diese mithilfe der Simulationen. Letztendlich ist es ihnen gelungen, eine Struktur herzustellen, die sich am Blumenmuster der Vogelspinne orientiert und über einen Blickwinkel von 160 Grad die gleiche Farbe erzeugt. Das ist der größte Winkel, der jemals bei synthetischen strukturellen Farben erreicht wurde.

Da über die Größe der „Blume“ sogar die resultierende Farbe selbst eingestellt werden kann, wird dieses Farbgebungsverfahren auch für die Industrie interessant. „Dies ist ein wichtiger Schritt hin zu einer Zukunft, in der strukturelle Farben die giftigen Pigmente in der Textil-, Verpackungs- und Kosmetikindustrie ersetzen“, sagt Radwanul Hasan Siddique vom Institut für Mikrostrukturtechnik am KIT, der inzwischen am California Institute of Technology arbeitet. Vor allem in der Textilindustrie sieht er einen kurzfristigen Einsatz als möglich.

Weitere Informationen in der Pressemitteilung 144/2016.

 

sis, 19.10.2016