Presseinformation 144/2016

Kleiden wie ein Pfau: Lebhafte Farben durch Nanotechnologie

Mikroskopische Analyse der blauen Vogelspinne inspiriert Herstellung von Nanostrukturen – blickwinkelunabhängige, effektvolle Farben für Textil-, Verpackungs- und Kosmetikindustrie
Die blaue Vogelspinne (Poecilotheria metallica) inspirierte Forscher zur Herstellung nicht irisierender struktureller Farben. (Foto: Tom Patterson)
Die blaue Vogelspinne (Poecilotheria metallica) inspirierte Forscher zur Herstellung nicht irisierender struktureller Farben. (Foto: Tom Patterson)

Farben werden auf unterschiedliche Arten erzeugt: Die bekannteste sind Farbpigmente. Die besonders lebhaften Farben der blauen Vogelspinne oder auch auf Pfauenfedern entstehen aber nicht durch Pigmente, sondern durch Nanostrukturen, durch die sich Lichtwellen bei der Reflexion überlagern. Dabei entstehen außergewöhnlich dynamische Farbeffekte. Wissenschaftlern unter Beteiligung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) ist es nun gelungen, solche Nanostrukturen nachzubilden, die unabhängig vom Blickwinkel dieselbe Farbe erzeugen. DOI: 10.1002/adom.201600599

 

Strukturell erzeugte Farben sind im Gegensatz zu Farbpigmenten ungiftig, leuchtender und haltbarer, hatten bisher jedoch in der industriellen Fertigung einen großen Nachteil: Sie irisieren, das heißt, die wahrgenommene Farbe hängt vom Blickwinkel ab, wie etwa bei der Rückseite einer CD. Damit sind sie für viele Anwendungen unbrauchbar. Die lebhaften Farben im Tierreich dagegen sind oft vom Blickwinkel unabhängig. Das Gefieder des Eisvogels erscheint immer blau, egal, aus welchem Winkel man ihn betrachtet. Der Grund dafür liegt in den Nanostrukturen: Während regelmäßige Strukturen irisieren, erzeugen amorphe, also unregelmäßige, Strukturen immer dieselbe Farbe. Industriell ist aber nur die Fertigung regelmäßiger Nanostrukturen wirtschaftlich möglich.

 

Wissenschaftler aus den USA und Belgien um Radwanul Hasan Siddique vom KIT haben nun entdeckt, dass die blaue Vogelspinne nicht irisiert, obwohl auf ihren Haaren regelmäßige Nanostrukturen sitzen. In einer ersten Untersuchung fanden sie eine mehrschichtige, blumenähnliche Struktur, deren Reflexionsverhalten sie anschließend in Computersimulationen analysierten. Gleichzeitig fertigten sie mit Nano-3D-Druckern Modelle dieser Strukturen an und optimierten diese mithilfe der Simulationen. Letztendlich ist es ihnen gelungen, eine Struktur herzustellen, die sich am Blumenmuster der Vogelspinne orientiert und über einen Blickwinkel von 160 Grad die gleiche Farbe erzeugt. Das ist der größte Winkel, der jemals bei synthetischen strukturellen Farben erreicht wurde.


Blumenähnliche Nanostrukturen erzeugen die Farbe der blauen Vogelspinne. (Grafik: Bill Hsiung, Uni Akron)

 


Die optimierte Blumenstruktur ist als 3D-Druck nur 15 Mikrometer groß, ein menschliches Haar ist etwa dreimal so dick. (Foto: Bill Hsiung, Uni Akron)

 

Neben dem mehrschichtigen Aufbau, der Punktsymmetrie und den Rillen auf der Oberfläche sorgt vor allem die hierarchische Struktur (Blumeninneres mit aufgesetzten Blättern) für eine gleichmäßige Reflexionsintensität und verhindert dadurch die Farbänderungen.

 

Da über die Größe der „Blume“ sogar die resultierende Farbe selbst eingestellt werden kann, wird dieses Farbgebungsverfahren auch für die Industrie interessant. „Dies ist ein wichtiger Schritt hin zu einer Zukunft, in der strukturelle Farben die giftigen Pigmente in der Textil-, Verpackungs- und Kosmetikindustrie ersetzen“, sagt Radwanul Hasan Siddique vom Institut für Mikrostrukturtechnik am KIT, der inzwischen am California Institute of Technology arbeitet. Vor allem in der Textilindustrie sieht er einen kurzfristigen Einsatz als möglich.

 


Die synthetisch erzeugte, von der blauen Vogelspinne inspirierte Blumenstruktur strahlt das Licht in gleicher Farbe über einen Blickwinkel von 160 Grad ab. (Grafik: Derek Miller)

 

Als größte Herausforderung auf dem Weg zur industriellen Nutzung sieht Dr. Hendrik Hölscher, Privatdozent am KIT, die Skalierbarkeit des Nano-3D-Drucks an, da nur wenige Firmen auf der Welt in der Lage sind, solche Drucke herzustellen. Durch die rasante Entwicklung auf diesem Gebiet werde sich dieses Problem in naher Zukunft aber sicherlich lösen lassen.

 

An der Forschung war auch die Öffentlichkeit beteiligt: Die Kosten für den 3D-Druck wurden über die Crowdfunding-Plattform experiment.com eingeworben. Ein englischsprachiges Video beschreibt dort die Forschung: https://experiment.com/projects/the-development-of-non-iridescent-structurally-colored-material-inspired-by-tarantula-hairs

 

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.

sis, 19.10.2016
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