Karlsruhe will Pionierregion für autonomes Fahren werden

Konsortium aus Städten und Forschungsinstituten bewirbt sich um „Testfeld zum vernetzten und automatisierten Fahren“ / Gemeinderat beschließt Eigenmittel für geplantes 4,6-Mio.-Euro-Projekt
Konsortium aus KIT und regionalen Partnern mit Dr. Frank Mentrup, Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe (r.) (Foto: Stadt Karlsruhe)
In Stadtvierteln und Strecken in Karlsruhe und Umland sollen automatisiertes und vernetztes Fahren in realen Umgebungen erprobt werden. (Karte: FZI)

Bei der Verknüpfung von Mobilität und Digitalisierung möchte Karlsruhe eine führende Rolle einnehmen. Ein Konsortium aus KIT und regionalen Partnern bewirbt sich beim Land darum, Teststrecken in der Region einzurichten. Auf diesem Testfeld können Firmen und Forschungseinrichtungen zukunftsorientierte Technologien und Dienstleistungen rund um das vernetzte und automatisierte Fahren im alltäglichen Straßenverkehr erproben. Mit dem Beschluss des Gemeinderats Karlsruhe und der Partner wurden nun die notwendigen Eigenmittel für das 4,6-Millionen-Euro-Projekt freigegeben.

In dem Konsortium engagieren sich das Karlsruher Institut für Technologie, die Stadt Karlsruhe, die Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft, das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB und die Stadt Bruchsal unter Leitung des FZI Forschungszentrum Informatik am KIT.

„Die Symbiose von Mobilität und Informationstechnik verspricht Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen und wird zu völlig neuen Mobilitätskonzepten führen“, erklärt Professor Holger Hanselka, Präsident das KIT. „Im Testfeld leistet das KIT einen wichtigen Beitrag zur Verzahnung von Forschung und Anwendung ebenso wie von Autobranche und IKT-Industrie.“

„Die Digitalisierung eröffnet viele Chancen, um Mobilität umweltfreundlicher, schneller und sicherer zu machen. Das ist entscheidend für die Zukunft unserer Städte. Und wir wollen mithelfen, clevere Lösungen zu finden“, sagt Dr. Frank Mentrup, Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe.

Lösungen effektiv erproben

Über das Testfeld sollen Fahrzeugsysteme für automatisiertes und vernetztes Fahren im realen Straßenverkehr getestet und entwickelt werden. Hier können Anwendungen für die zukünftige Mobilität erprobt werden, etwa automatisiertes Fahren von Autos, Bussen oder Nutzfahrzeugen wie Straßenreinigung oder Zustelldienste. Zudem ließen sich die regulatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen fortschreiben. Die Schaffung eines Testfelds wird dazu beitragen, dass technologische Lösungen im Umfeld der Digitalisierung der Mobilität effektiv erprobt werden können, etwa smarte Zusatzdienste oder Datenschutz. Durch ein frei zugängliches Testfeld werden insbesondere kleine und mittlere Unternehmen profitieren und die Niederlassung von Firmen aus dem Mobilitäts- und IKT-Sektor wird begünstigt.

Mit den beantragten Mitteln ist geplant, Verkehrsflächen unterschiedlichster Art für das automatisierte und vernetzte Fahren vorzubereiten. Dazu werden hochgenaue 3D-Karten erzeugt sowie Sensoren zur Echtzeiterfassung des Verkehrs und dessen Einflussfaktoren installiert. Die Daten werden aufgearbeitet und dann den Nutzern des Testfelds zur Verfügung gestellt. Weiterhin erhalten die Nutzer Informationen über die Schaltungen der Ampeln und die Bewegungen im Bus-, Stadt- und Straßenbahnverkehr. Es sollen Funkstrecken und langfristig neueste Telekommunikationstechniken eingerichtet werden, um eine robuste Datenübertragung von und zu den Fahrzeugen sicherzustellen.

Die Strecken des Testfelds werden von urbanen Bereichen mit gemischtem Fahrzeug-, Fahrrad- und Fußgängerverkehr, über innerstädtische Tempo-30- und Tempo-50-Zonen, städtische Parkhäuser, Wohngebiete, Landes- und Bundesstraßen bis hin zu Autobahnabschnitten alle relevanten Straßentypen umfassen. Zu den geplanten Testzonen und -strecken zählen die drei Campus des KIT, die Oststadt, der Hauptbahnhof und südliche Stadtteile, verbindende Straßen sowie Autobahnstrecken bis Stuttgart und Heilbronn. Angebunden werden auch der Forschungscampus Bruchsal sowie die Testfelder für automatisierte Logistik und Nutzfahrzeuge in Bruchsal und Heilbronn.

Für nicht am Testbetrieb beteiligte Verkehrsteilnehmer und Anwohner ergeben sich keine Änderungen oder Einschränkungen bei der Nutzung der Straßen. Erkennbar sein werden eventuell zusätzlich im Verkehrsraum zu installierende Sendeantennen für WLAN und Mobilfunk sowie Sensoren, die ausschließlich nicht personenbezogene Daten erheben. Der Testbetrieb wird über eine Leitstelle koordiniert und von dort überwacht. Die Testfahrzeuge sind mit aufwändiger Sicherheitstechnik ausgestattet und es ist bei der Erprobung gemäß geltender Vorgaben immer ein Sicherheitsfahrer im Fahrzeug. Darüber hinaus soll ein Internetportal eingerichtet werden, über das sich Bürgerinnen und Bürger über die Beschaffenheit und Ausstattung der Testfelder und -strecken informieren können und über das sie einen einfachen Zugriff haben auf beispielhaft ausgewählte Daten aus der Messtechnik.

Nachhaltige Mobilität verwirklichen

Der Gemeinderat der Stadt Karlsruhe ist bereit, für das Projekt insgesamt 190.000 Euro zur Verfügung zu stellen. Einem entsprechenden Antrag hat das Gremium am 26. April zugestimmt. Diese Mittel sollen unter anderem in die für den Betrieb des Testfelds notwendige Aufrüstung von Ampelsystemen und in den Ausbau von KA-WLAN fließen. Außerdem erteilt die Stadt Karlsruhe die für das Testfeld notwendigen straßenrechtlichen Genehmigungen. Die Aufgaben der Testfeld-Betreibergesellschaft soll der Karlsruher Verkehrsverbund übernehmen. Und die Verkehrsbetriebe Karlsruhe wollen ein mögliches Testfeld für Forschungszwecke nutzen. Geplant ist, autonom fahrende Elektro-Mini-Omnibusse zu erproben. Die Stadt Karlsruhe möchte dazu beitragen, nachhaltige Mobilität Wirklichkeit werden zu lassen – nicht zuletzt mit Blick auf die Umwelt und zum Vorteil mobilitätseingeschränkter Bevölkerungsgruppen.

Das Konsortium plant Eigenmittel von rund 1,1 Millionen Euro in das Projekt einzubringen. Hinzu kommen noch über eine Million Euro von assoziierten Partnern und Industriepartnern. Für Konzeption, Planung und Ausbau des Testfelds stellt das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft dem Konsortium, das den Zuschlag erhält, 2,5 Millionen Euro zur Verfügung. Mit dem Aufbau des Testfelds soll noch dieses Jahr begonnen werden; der Betrieb soll 2017 starten. Über die Ausschreibung soll ein technologieoffenes und einzelunternehmensunabhängiges Testfeld für das vernetzte und automatisierte Fahren in Baden-Württemberg entstehen.

Weitere Informationen in der Pressemitteilung 066/2016.


kes, 28.04.2016