Fossile Käfer mit Röntgenstrahlen durchleuchtet

Die 3D-Tomographie an millimetergroßen, versteinerten Insekten macht erstmals die Anatomie von Käfern sichtbar, die vor 30 Millionen Jahren lebten.
Digitale Rekonstruierung des Fossil-Inneren (Foto: A.Schwermann/Th.van de Kamp/KIT)

Nur simple Steinchen sieht der Laie in den fossilen Käfern. Selbst Experten konnten nur die grobe, äußere Form der millimetergroßen Versteinerungen beschreiben. Mit Hilfe der Synchrotronstrahlungsquelle ANKA am KIT wurden nun 30 Millionen Jahre alten Käfer durchleuchtet. Die innere Anatomie ist so detailliert abgebildet, dass sogar eine moderne Stammbaumanalyse der Käfer möglich war, die nun in der Fachzeitschrift „eLIFE“ erschien. Damit wurde gezeigt, wie modernste bildgebende Verfahren den Wissensschatz aus ungenutzten naturkundlichen Sammlungen heben können.

Erste dreidimensionale Darstellung des Fossil-Inneren

Die wenige Millimeter langen Käfer stammen aus einer weit mehr als 100 Jahre alten Sammlung fossiler Gliederfüßer aus dem französischen Quercy, die zuletzt im Jahr 1944 eingehender untersucht wurde. Da die Exemplare äußerlich schlecht erhalten sind, führten sie seitdem ein Schattendasein im Naturhistorischen Museum Basel.

Mit Hilfe moderner Bildgebungsmethoden konnten ihnen jetzt jedoch detaillierte Informationen über die inneren Strukturen entlockt werden: Die Forscher haben dafür die Fossilien an der Synchrotronstrahlungsquelle ANKA des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) mittels Röntgen-Mikrotomographie analysiert. Auf diese Weise konnte erstmals das Innere der undurchsichtigen Fossilien dreidimensional dargestellt werden.

„Der eigentliche Messvorgang dauert nur wenige Sekunden“, erklärt Co-Projektleiter Thomas van de Kamp vom Laboratorium für Applikationen der Synchrotronstrahlung (LAS) des KIT. In dieser Zeit wird das Objekt im Röntgenstrahl gedreht und aus unterschiedlichen Richtungen durchleuchtet. Im Anschluss an die Messung wird dann das dreidimensionale Objekt aufwendig digital rekonstruiert.

Höchster Nutzen für die Forschung

Dank der extrem guten Auflösung der Tomographie-Messstation an der Synchrotronstrahlungsquelle ANKA lassen sich Details von wenigen Mikrometern Größe (millionstel Meter) innerhalb des Käfers abbilden. Damit bietet sich erstmals die Möglichkeit, den fossilen Käfer wie einen heutigen Vertreter nach modernen Standards unter Bewertung der inneren Organe taxonomisch zu beschreiben.

„Die optimale Abstimmung aller Komponenten ermöglicht eine hervorragende Abbildungsqualität im Vergleich zu medizinischen Computertomographen“, führt Tomy dos Santos Rolo vom Institut für Beschleunigerphysik und Technologie (IBPT) des KIT aus. Synchrotronstrahlung ist eine der intensivsten Quellen von Röntgen- und Infrarotstrahlung und von höchstem Nutzen für die Forschung, sowohl in der Wissenschaft als auch in der Industrie.

Faszinierender Blick ins Innere

Die Detailgenauigkeit der fossilen Käfer geht über das hinaus, was normalerweise von fossilen Gliederfüßern bekannt ist. „Die außergewöhnliche Erhaltung des Weichgewebes zeigt, dass die Käfer innerhalb kürzester Zeit, vermutlich Stunden oder Tage, konserviert gewesen sein müssen“, sagt der Paläontologe Achim Schwermann vom Steinmann-Institut der Universität Bonn, Co-Projektleiter der aktuellen Studie. Überraschenderweise zeigt gerade der äußerlich am schlechtesten erhaltene Käfer im Inneren den besten Erhaltungsgrad, denn das anheftende Gestein hat diese und auch die fragilen Extremitäten vor der Zerstörung durch äußere Umwelteinflüsse bewahrt.

Bei den untersuchten Exemplaren waren die Mundwerkzeuge, der Schlund und Magen-Darm-Trakt, die Genitalien und das komplexe Tracheensystem zu erkennen. Durch eine Stammbaumanalyse konnten die Verwandtschaftsverhältnisse der fossilen Käferart innerhalb der Stutzkäfer (Histeridae), einer Käferfamilie, die es auch heute noch gibt, korrigiert und neu bewertet werden.

Nachdem die fossilen Gliederfüßer aus dem französischen Quercy bei der ersten Bearbeitung in den 1940er Jahren als eher bescheiden erhalten eingestuft wurden, entpuppt sich nun diese alte Sammlung als wahre Fundgrube. „Das lässt uns als Wissenschaftler mit anderen Augen auf die alten Sammlungen der Museen und Universitäten schauen“, sagen Schwermann und van de Kamp. Das Forscherteam will nun auch andere, ähnlich erhaltene Fossilien untersuchen.

Weiterführende Informationen in der Pressemitteilung des KIT

Weitere Pressemeldungen zum Thema:

3-D-Röntgenkino: schnelle Bewegungen in Echtzeit

Die Natur nutzt Schrauben und Muttern

Von Käferschalen zu Leichtbaustrukturen


kes, 10.02.2016