Presseinformation 143/2016

Favoriten machen Spiele langweilig

Sportliche Wettkämpfe sind bei gleichstarken Kontrahenten intensiver / Daraus lassen sich sowohl Schlüsse für Wettbewerbe im Sport als auch in der Wirtschaft ableiten
Körperbetonte Spiele wie Handball sind ein gutes Modell für Wettbewerbe und deren Gestaltungsmöglichkeiten auch außerhalb des Sports. (Foto: Steindy / Wikimedia Commons)
Körperbetonte Spiele wie Handball sind ein gutes Modell für Wettbewerbe und deren Gestaltungsmöglichkeiten auch außerhalb des Sports. (Foto: Steindy / Wikimedia Commons)

Sportfans kennen das. Man schaut ein Spiel an, wirklich spannend will es aber nicht werden. Der Favorit ist allgemein bekannt, das zeigt sich auch im Verhalten der Teams – dem Spiel fehlt es an Spannung und Intensität. Ein Forscherteam unter Beteiligung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) untersuchte das Phänomen und belegt, dass sich die Heterogenität von Kontrahenten negativ auf die Intensität von Wettkämpfen auswirkt. Das ist auch für die Unternehmensführung interessant, um effizientere Wettbewerbe zu gestalten.

 

„Organisatoren von Sportveranstaltungen haben ein großes Interesse an spannenden und intensiven Wettkämpfen“, so Professorin Petra Nieken, Inhaberin des Lehrstuhls für Human Resource Management am KIT. „Wenn homogene, also gleich gute Kontrahenten gegeneinander antreten, wirkt sich das direkt auf die Intensität des Spiels aus. Man kann sich leicht vorstellen, dass intensive Spiele höhere Zuschauerzahlen haben und der Verkauf von Tickets und Merchandise-Artikeln ansteigt“. Die Beachtung dieses Phänomens ist aber nicht nur für Sportveranstaltungen relevant. Viele Unternehmen organisieren ihre Mitarbeiter in Teams, die beispielsweise um gemeinsame Ressourcen konkurrieren. Hier lässt sich der Arbeitseinsatz häufig aber nicht so einfach beobachten. Die Arbeit der Wissenschaftler verfolgt somit zwei Ziele. Erstens könnten die Forschungsergebnisse die Organisation von spannenden und gewinnbringenden Sportveranstaltungen unterstützen. Zweitens dient der Sport auch als Modell für andersartige Wettbewerbe, beispielsweise um Rückschlüsse für die Unternehmensführung und die effiziente Gestaltung von Wettbewerbssituationen in Unternehmen zu ziehen.

 

Gemeinsam mit Dr. Johannes Berger von der Universität zu Köln analysierte Nieken in ihrer Studie alle 612 Ligaspiele der TOYOTA Handball-Bundesliga aus den Saisons 2006-2007 und 2007-2008 aus. Die Forscher werteten neben Angaben zu erzielten Toren, Austragungsort, Zuschauerzahlen und eingesetzten Schiedsrichtern auch die 2-Minuten-Zeitstrafen sowie die Wettquoten aus. Diese werden als Schlüsselvariablen zur Definition des Intensitäts- bzw. Heterogenitätsmaßes herangezogen.

 

Handball ist zwar ein körperbetontes Spiel, in dem Körperkontakt nicht zwingend bestraft wird, für harte Fouls erhalten Spieler aber dennoch eine 2-Minuten-Zeitstrafe. „Diese Zeitstrafen stellen ein gutes Maß für die Intensität des Spiels dar“, erläutert Nieken. „Beispielsweise können Teams, die mit hohem Einsatz Gegentreffer verhindern wollen, in der Defensive sehr körperbetont spielen, was beim Übertreten des Toleranzbereichs geahndet wird“.

 

Zur Bestimmung des Heterogenitätsmaßes, also der Differenz der vor dem Spiel geschätzten Stärke oder Gewinnchance beider Teams, ziehen die Forscher Wettquoten heran. „Nicht nur die sportlichen Fähigkeiten einer Mannschaft, auch Ereignisse innerhalb einer Saison, wie Verletzungen von Schlüsselspielern oder Spielertransfers, spiegeln sich in Wettquoten“, so Nieken.

 

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Heterogenität von Kontrahenten die Intensität eines Spiels senkt. Dies ist hauptsächlich auf das Spielverhalten des Favoriten zurückzuführen, der beispielsweise das Verletzungsrisiko verringern oder seine Kräfte für zukünftige Spiele einteilen möchte. Während also beim Außenseiter kein statistischer Zusammenhang zwischen der Anzahl der 2-Minuten-Zeitstrafen (Intensitätsmaß) und den Wettquoten (Heterogenitätsmaß) erkennbar ist, sinkt die Anzahl der 2-Minuten-Zeitstrafen des Favoriten deutlich mit steigender Heterogenität. Im Durchschnitt erhält der Favorit ca. ein Drittel weniger 2-Minuten-Zeitstrafen bei sehr unterschiedlich starken Teams im Vergleich zu annähernd homogenen Kontrahenten.

 

„Das Verständnis des Verhaltens von Favoriten und Außenseitern im Sport kann in Teilen auch auf Wettbewerbe zwischen und innerhalb von Unternehmen übertragen werden. Die Erkenntnisse aus dem Sport können hilfreich sein, um Wettbewerbe fairer und homogener zu gestalten. Letztlich führt ein fairer Wettbewerb, beispielsweise bei anstehenden Beförderungen, zu hohem Einsatz und höherer Mitarbeitermotivation“, fasst Nieken zusammen.

 

Weitere Informationen:

Die Studie „Heterogeneous Contestants and the Intensity of Tournaments: An Empirical Investigation“ erscheint im Oktober im „Journal of Sports Economics” Ausgabe 17 Nr. 7 S. 631-660. Sie ist außerdem unter DOI: 10.1177/1527002514538639 zu finden.

 

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.

gs, 18.10.2016
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