Presseinformation 056/2010

Bionische Beschichtung hilft Schiffen, Sprit zu sparen

Materialien nach Vorbild des Schwimmfarns könnten den Treibstoffverbrauch von Schiffen massiv reduzieren
Salvinia-Effekt: Wassertropfen perlen auf dem Schwimmfarnblatt ab. (Foto: Nees-Institut der Universität Bonn)
Salvinia-Effekt: Wassertropfen perlen auf dem Schwimmfarnblatt ab. (Foto: Nees-Institut der Universität Bonn)

Eine unscheinbare Pflanze könnte bald Karriere als Klimaretter machen: Die Oberflächenhaare des Schwimmfarns sollen Schiffen zu einem zehn Prozent geringeren Kraftstoffverbrauch verhelfen. Die Pflanze hat die seltene Gabe, sich unter Wasser in ein hauchdünnes Kleid aus Luft zu hüllen und dieses monatelang festzuhalten. Forscher der Universitäten Bonn, Karlsruhe und Rostock haben nun aufgeklärt, wie der Farn das macht. Ihre Ergebnisse lassen sich vielleicht zur Konstruktion neuartiger Schiffsrümpfe nutzen, die in einer Hülle aus Luft durch das Wasser gleiten. Derartige Schiffe kämen aufgrund der verringerten Reibung mit deutlich weniger Treibstoff aus. Die Forscher stellen ihre Studie in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Advanced Materials“ vor.

Der Schwimmfarn Salvinia molesta ist extrem wasserscheu: Taucht man ihn unter und zieht ihn danach wieder heraus, perlt die Flüssigkeit sofort von ihm ab. Danach ist er wieder komplett trocken. Oder richtiger: Er war nie wirklich nass. Denn unter Wasser hüllt sich der Farn in ein hauchdünnes Kleid aus Luft. Diese Schicht verhindert, dass die Pflanze mit Flüssigkeit in Kontakt kommt. Und das selbst bei einem wochenlangen Tauchgang.

Materialforscher nennen dieses Verhalten „superhydrophob“. Diese Eigenschaft ist für viele Anwendungen von Interesse – etwa für schnell trocknende Bademode oder eben Sprit sparende Schiffe. Es ist inzwischen möglich, superhydrophobe Oberflächen nach dem Vorbild der Natur zu konstruieren. Diese „Nachbauten“ haben aber einen Nachteil: Die Luftschicht, die sich auf ihnen bildet, ist zu instabil. In bewegtem Wasser verschwindet sie spätestens nach einigen Stunden.

Die Forscher aus Bonn, Rostock und Karlsruhe haben nun enträtselt, mit welchem Trick der Schwimmfarn sein luftiges Kleidchen festhält. Schon seit einigen Jahren ist bekannt, dass auf der Oberfläche seiner Blätter winzigkleine schneebesenartige Härchen sitzen. Diese sind hydrophob: Sie halten das Wasser in der Umgebung auf Distanz.

Wasser wird „festgetackert“

Das ist aber nur eine Seite der Medaille: „Wir haben zeigen können, dass die äußersten Spitzen dieser Schneebesen hydrophil sind, also wasserliebend“, erklärt Professor Dr. Wilhelm Barthlott von der Uni Bonn. „Sie tauchen in die umgebende Flüssigkeit ein und ‚tackern’ das Wasser gewissermaßen in regelmäßigen Abständen auf der Pflanze fest. Die darunter sitzende Luftschicht kann daher nicht so leicht entweichen.“

Barthlott leitet in Bonn das Nees-Institut für Biodiversität der Pflanzen. Dort nahmen die Untersuchungen ihren Anfang, die heute zusammen mit dem Lehrstuhl für Strömungsmechanik der Universität Rostock und dem Institut für Angewandte Physik der Universität Karlsruhe weitergeführt werden. „Nach Aufklärung der Selbstreinigung durch das Lotus-Blatt vor zwanzig Jahren ist die Entdeckung des Salvinia-Effektes eine der wichtigsten neuen Erkenntnisse in der Bionik“, sagt Professor Dr. Thomas Schimmel von der Universität Karlsruhe.

Weltweite Kraftstoffersparnis: ein Prozent
Und zwar eine mit gewaltigem technischen Potenzial: Bislang geht bei Containerschiffen mehr als die Hälfte der Antriebsenergie durch Reibung des Wassers am Rumpf verloren. Mit einer Luftschicht ließe sich dieser Verlust nach Schätzung der Forscher um zehn Prozent reduzieren. Da Schiffe riesige Spritschlucker sind, wäre der Gesamteffekt enorm. „Man könnte so wahrscheinlich ein Prozent des weltweiten Gesamtverbrauchs an Treibstoff einsparen“, prognostiziert Professor Barthlott. „Oberflächen nach dem Vorbild des Schwimmfarns könnten den Schiffsbau revolutionieren“, meint auch Dr. Martin Brede von der Universität Rostock.

Lotus und der Schwimmfarn Salvinia sind nur zwei von vielleicht zwanzig Millionen Arten, die unseren Erdball bevölkern. Sie alle haben ihre Geheimnisse, an deren Entschleierung man in Bonn, Rostock und Karlsruhe arbeitet.

 

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zk, 04.05.2010
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