Presseinformation 152/2010

Wie Wähler ihre Entscheidung treffen

Forscher analysiert Bundestagswahl aus der Sicht der direkten Demokratie
Welche Motive führen zur Stimmvergabe - eine Studie am KIT beleuchtet dieses Thema. Das Bild zeigt eine Person, die einen Stimmzettel in eine Wahlurne einwirft.
Welche Motive führen zur Stimmvergabe - eine Studie am KIT beleuchtet dieses Thema.
(Foto: Holger Lang)

In einer Analyse der Bundestagswahl 2009 hat Professor Andranik Tangian vom KIT Positionen aus Parteiprogrammen und Ergebnisse von Meinungsumfragen verglichen und den Wahlergebnissen gegenübergestellt. Er gelangt zu dem Schluss, dass Wähler sich bei ihrer Entscheidung weniger nach ihrer eigenen politischen Meinung, sondern mehr nach überkommenen politischen Bindungen richten. Um diese Kluft zu überbrücken, schlägt Tangian vor, eine Drittstimme für ein politisches Programm einzuführen.

Die Untersuchung von Andranik S. Tangian, außerplanmäßiger Professor am Lehrstuhl für Wirtschaftstheorie (VWL I) des KIT, ist aus seiner Vorlesung „Mathematische Theorie der Demokratie“ im Sommersemester 2010 hervorgegangen. Sie beruht auf Daten aus dem Wahl-O-Mat® der Bundeszentrale für politische Bildung sowie auf Ergebnissen verschiedener Meinungsumfragen. Der Wahl-O-Mat® forderte anlässlich der Bundestagswahl 2009 von den Parteien deren Positionen zu mehr als 30 aktuellen politischen Fragen an. Dazu gehörten beispielsweise die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns oder eines generellen Tempolimits auf deutschen Autobahnen. Diese Parteipositionen verglich Tangian mit den Ergebnissen der Meinungsumfragen und ermittelte die Popularität und Universalität von fünf führenden deutschen Parteien.
 
Der Popularitätsindex gibt an, wie groß der Anteil der Bevölkerung ist, den die jeweilige Partei aufgrund ihres politischen Programms repräsentiert. Der Universalitätsindex zeigt, in wie vielen Fragen die jeweilige Partei die Mehrheit der Bevölkerung repräsentiert. Aus den Indizes geht hervor, dass die Repräsentanzfähigkeit der einzelnen Parteien deutlich von den bei der Wahl erzielten Ergebnissen abweicht.
 
Tangian schließt daraus, dass Wähler sich bei ihrer Entscheidung weniger nach ihrer eigenen Meinung zu aktuellen Fragen richten und die Parteiprogramme weitgehend unbeachtet lassen. Stattdessen entscheiden sie aufgrund von überkommenen politischen Bindungen, auch wenn diese veraltet sind, und lassen sich vom persönlichen Image der Politiker beeinflussen, wie der Forscher erklärt.
 
Tangian schlägt vor, das Wahlverfahren zu ergänzen, um die Ansätze der repräsentativen und der direkten Demokratie miteinander zu verbinden: Zu der Erststimme für eine Person und der Zweitstimme für eine Partei soll eine Drittstimme für ein politisches Programm hinzukommen. Zur Abgabe der Drittstimme sollen die Wähler einen Fragebogen ausfüllen, der dem Wahl-O-Mat® ähnelt und ihr eigenes politisches Profil deutlich macht. „Die vorgeschlagene Ergänzung zum existierenden Wahlverfahren könnte die Kluft zwischen der Wirklichkeit und veralteten Vorstellungen verringern und dadurch zu einer effizienteren Demokratie führen“, erklärt Tangian.

Andranik S. Tangian, Decision making in politics and economics: 4. Bundestag elections 2009 and direct democracy, KIT Working Paper Series in Economics, No. 8, October 2010.
http://econpapers.wiwi.kit.edu

 

 

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or, 08.12.2010
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