Presseinformation 155/2012

Weniger Lärm – dank lautloser Sprachkommunikation

KIT-Informatikerin Tanja Schultz erhält den Forschungspreis Technische Kommunikation 2012 der Alcatel-Lucent Stiftung
Elektroden zeichnen die Muskelbewegungen auf, über Mustererkennungsverfahren schließt Tanja Schultz (rechts) von den Signalen zurück auf lautlos Gesprochenes (Foto: Nils Gräber)
Elektroden zeichnen die Muskelbewegungen auf, über Mustererkennungsverfahren schließt Tanja Schultz (rechts) von den Signalen zurück auf lautlos Gesprochenes (Foto: Nils Gräber)

Professorin Tanja Schultz vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) erhält heute den mit 20.000 Euro dotierten Forschungspreis Technische Kommunikation der Alcatel-Lucent Stiftung. Die Informatikerin hat die „Lautlose Sprachkommunikation“ international als Forschungsgebiet etabliert. Die von ihr entwickelte Technologie erfasst mittels Elektromyographie die Aktivität der Gesichtsmuskeln beim Sprechen und verwendet Musterkennungsverfahren, um von diesen Signalen auf das – auch lautlos – Gesprochene zurückzuschließen. Die Preisverleihung findet am Abend im Stuttgarter Neuen Schloss statt.

Die „Lautlose Sprachkommunikation“ eröffnet für die Anwendung zahlreiche Möglichkeiten: So kann lautloses Telefonieren nicht nur die Geräuschbelästigung in der Öffentlichkeit reduzieren, sondern es auch möglich machen, vertrauliche Informationen wie Passwörter und PINs abhörsicher zu übermitteln. Die von Tanja Schultz entwickelte Technologie bietet darüber hinaus eine Lösung, Menschen zu unterstützen, die durch Unfälle oder Krankheiten ihre Stimme verloren haben. In naher Zukunft könnten auch ältere oder geschwächte Menschen eine Stimmunterstützung oder -kräftigung erhalten.

Bei der Elektromyographie zeichnen Elektroden auf der Hautoberfläche die elektrischen Signale (Potentiale) auf, die bei der Kontraktion der Artikulationsmuskeln entstehen – jener Muskeln, die zur Produktion von Sprache benötigt werden, beispielsweise um Lippen, Zunge, oder den Kehlkopf zu bewegen. Die Analyse dieser Signale durch Signalvorverarbeitung und Mustererkennungsverfahren erlaubt es, auf die Bewegungen und damit auf die produzierte Sprache zurückzuschließen. Da die Elektromyographie die Muskelaktivität auch dann erfasst, wenn die Sprecherin oder der Sprecher nicht hörbar artikuliert, kann dieses Verfahren auch lautlos Gesprochenes erkennen. Die erkannte Sprache lässt sich anschließend am Computer in Textform darstellen oder  hörbar machen. Mögliche Anwendungen finden sich damit sowohl in der Mensch-Maschine-Kommunikation als auch in der maschinengestützten zwischenmenschlichen Kommunikation.

Das Kuratorium der Alcatel-Lucent Stiftung für Kommunikationsforschung begründete die Vergabe des Preises an Tanja Schultz mit ihrer hohen wissenschaftlichen Exzellenz und der gleichzeitig umfassenden Anwendungsrelevanz ihrer Arbeiten, die unmittelbar am Fokus der Stiftungsausrichtung, nämlich dem besseren Zusammenwirken von Mensch und Technik, ansetzen.

Preisverleihung am Freitag, 12. Oktober

Das Kuratorium der Alcatel-Lucent Stiftung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft zeichnet seit 1980 jährlich eine/n herausragende/n Wissenschaftler/in aus, deren/dessen Forschungsarbeit einen wichtigen Beitrag zum Thema „Mensch und Technik in Kommunikationssystemen“ darstellt. Der Preis ist mit 20.000 Euro dotiert. Die Verleihung des Forschungspreises Technische Kommunikation 2012 findet am Freitag, 12. Oktober, um 17 Uhr im Weißen Saal des Neuen Schlosses in Stuttgart statt. Kuratoriumsmitglied Professor Dr. Wolf-Dieter Lukas, Ministerialdirektor im Bundesministerium für Bildung und Forschung und Leiter der Abteilung Schlüsseltechnologien – Forschung für Innovationen, wird die Laudatio halten. Professorin Tanja Schultz wird anschließend ihr Forschungsgebiet in einem Kurzreferat vorstellen. Neben dem Forschungspreis Technische Kommunikation vergibt das Kuratorium Dissertationsauszeichnungen für Wirtschaftswissenschaftler/innen zum Themenkreis „Kommunikations- und Informationstechnik“.


Zur Person:
Tanja Schultz, geb. 1964, schloss ihr erstes Studium, Mathematik und Sport für das Lehramt, 1989 mit dem 1. Staatsexamen ab. Anschließend studierte sie Informatik an der damaligen Universität Karlsruhe (TH), an der sie im Jahr 2000 zum Thema Multilinguale Spracherkennung promovierte. Ab 2000 war Schultz zunächst Postdoctoral Fellow, ab 2002 dann Research Scientist und seit 2006 Research Professor an der Carnegie Mellon University (CMU) in Pittsburgh, USA. 2007 nahm sie den Ruf ans KIT an und hat dort den Lehrstuhl für Kognitive Systeme am Institut für Anthropomatik des inne. Schultz ist seit 2007 Vorstandsmitglied der International Speech Communication Association. Am KIT ist sie Gründungsmitglied des Instituts für Anthropomatik (2009) sowie Gründungs- und Lenkungskreismitglied des KIT-Schwerpunkts „Anthropomatik und Robotik“ (2010). Im vergangenen Jahr erhielt Tanja Schultz den PLUX Wireless Biosignals Award (BIOSTEC 2011). 2012 wurde sie mit Christoph Amma und Marcus Georgi auf dem 16. International Symposium on Wearable Computers (ISWC) mit dem Best Paper Award ausgezeichnet.

Bereits 2007 gründete Tanja Schultz das Cognitive Systems Lab am KIT: Bei der Erkennung lautloser Sprache mit Elektromyographie – an der Schnittstelle zwischen Spracherkennung und Biosignalverabeitung – ist sie mit ihrem Team weltweit führend. Den ersten echtzeitfähigen Prototyp ihres Systems stellte sie 2010 auf der IT-Messe CeBIT vor. Im Großlabor „Karlsruher Decision & Design Lab“, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird, will Tanja Schultz ihre Entwicklungen weiter vorantreiben. Das mit 40 Kabinen und mobilen Biosignalgeräten ausgestattete Labor bietet beste Möglichkeiten für Experimente mit großem Personendurchsatz in kontrollierten Laborumgebungen und unter realen Bedingungen.

Video: http://csl.anthropomatik.kit.edu/videos.php
Reihe „Frauen in der Forschung“ – Prof. Tanja Schultz im Interview: http://www.youtube.com/watch?v=3EFlKKnbhl4&feature=related


Über die Alcatel-Lucent Stiftung für Kommunikationsforschung
Die Alcatel-Lucent Stiftung ist eine gemeinnützige Förderstiftung für Wissenschaft. Sie behandelt über ein multidisziplinäres wissenschaftliches Netzwerk umfassende Fragestellungen der Informationsgesellschaft. Davon berührt sind neben den Aspekten der neuen breitbandigen Medien die Mensch-Technik-Interaktion, das E-Government, das Medien und Informationsrecht, der Datenschutz, die Datensicherheit, die Sicherheitskommunikation sowie die Mobilitätskommunikation. Alle mitwirkenden Disziplinen sind angesprochen, von Naturwissenschaft und Technik über die Ökonomie und Sozialwissenschaft bis hin zur Technikphilosophie.
Nähere Informationen: http://www.stiftungaktuell.de

 

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 9 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 300 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.

le, 12.10.2012
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