Presseinformation 011/2018

Wie Pilze wachsen: ein Movie aus dem Zellinneren

Mit Höchstleistungs-Lichtmikroskopie gelang es Wissenschaftlern des KIT, das Wachstum von Pilzen in der lebenden Zelle zu beobachten.
Das Wachstum von Pilzen (links) auf molekularer Ebene (rechts) ist Fokus der Forscher am KIT. (Foto: L. Zhou, KIT)
Das Wachstum von Pilzen (links) auf molekularer Ebene (rechts) ist Fokus der Forscher am KIT. (Foto: L. Zhou, KIT)

Als Schimmel auf Lebensmitteln können sie schaden, als Antibiotikalieferanten nützen: Pilze sind einerseits gefährliche Krankheitserreger, andererseits werden sie für die Produktion von Lebensmitteln, Arzneimitteln und in der Biotechnologie eingesetzt. In beiden Fällen ist es wichtig, ihren Wachstumsmechanismus genau zu verstehen. Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) sind hier einen entscheidenden Schritt weitergekommen: Sie haben Schimmelpilzen mit Höchstleistungs-Lichtmikroskopie beim Wachsen live zugesehen, die Ergebnisse stellen sie in der Zeitschrift Science Advances vor.

 

Schimmelpilze sind wie die meisten Pilze Hyphenpilze. Sie bestehen aus fadenförmigen Zellen, den Hyphen, die weitläufige Netzwerke, Myzelien, bilden können. Die etwa drei Mikrometer dicken Hyphen wachsen ausschließlich durch gerichteten Vortrieb ihrer Spitze und dies tun sie sehr schnell, nämlich rund 1,5 Millimeter pro Tag. Ein wichtiges Ziel der biologischen Grundlagenforschung ist es, dieses Wachstum auf der molekularen Ebene zu verstehen, denn sowohl bei den gesundheitsschädlichen Wirkungen als auch bei den Nutzanwendungen von Pilzen spielt das Wachstum der Hyphen eine wichtige Rolle.

 

Für die Untersuchung haben die Wissenschaftler ein Schlüsselenzym, das für den Aufbau der chitinhaltigen Zellwand benötigt wird, mit einem fluoreszierenden Protein markiert und dieses in der lebenden Zelle  mit hochauflösender Mikroskopie (Nanoskopie) beobachtet. Durch Verwendung höchst empfindlicher Kameras im Mikroskop gelang es, das Wachstum der Spitze sowie den Transport einzelner Vesikel in schnellen Bildfolgen wie in kleinen Movies festzuhalten und so auch die Transportgeschwindigkeit der Vesikel präzise zu bestimmen. Die Bilder zeigen, wie Baumaterialien in winzigen Bläschen verpackt und von Transportvehikeln, den Motorproteinen, entlang von Faserstrukturen des Zellskeletts wie auf Schienen zur Zellspitze befördert werden. Motorproteine sind winzige Nanomotoren, die mit zwei „Füßchen“ an die Faserstrukturen andocken und darauf entlang schreiten. Mit Hilfe gentechnisch veränderter Pilzen fanden die Wissenschaftler außerdem heraus, welche Motorproteine jeweils für die Transporte verantwortlich sind.

 

Aus den Beobachtungen haben die Forscher des Instituts für Angewandte Physik und des Instituts für Angewandte Biowissenschaften des KIT erstmals ein umfassendes Modell abgeleitet, das beschreibt, wie die schnell wachsende Hyphenspitze mit Baumaterial versorgt wird. Dies sei eine wichtige Etappe auf dem Weg zu einem vollständigen molekularen Verständnis gerichteter Zellwachstumsprozesse, so Professor Gerd Ulrich Nienhaus vom Institut für Angewandte Physik des KIT. „Die an Hyphenpilzen gewonnenen Erkenntnisse sind einerseits von genereller Bedeutung in der Biologie, da sie auch auf andere Zellen und Lebewesen übertragen werden können, andererseits eröffnen sie neue Möglichkeiten, Pilzwachstum gezielt zu beeinflussen, was zum Beispiel bei der Eindämmung von pathogenen Arten in der Medizin wichtig ist.“

 

Zu den Videos:

advances.sciencemag.org/content/suppl/2018/01/22/4.1.e1701798.DC1

 

Originalveröffentlichung in Science Advances:

Superresolution and pulse-chase imaging reveal the role of vesicle transport in polar growth of fungal cells; Lu Zhou, Minoas Evangelinos, Valentin Wernet, Antonia F. Eckert, Yuji Ishitsuka, Reinhard Fischer, G. Ulrich Nienhaus and Norio Takeshita.

advances.sciencemag.org/content/4/1/e1701798

 

Im Dialog mit der Gesellschaft entwickelt das KIT Lösungen für große Herausforderungen – von Klimawandel, Energiewende und nachhaltigem Umgang mit natürlichen Ressourcen bis hin zu Künstlicher Intelligenz, technologischer Souveränität und demografischem Wandel. Als Die Universität in der Helmholtz-Gemeinschaft vereint das KIT wissenschaftliche Exzellenz vom Erkenntnisgewinn bis zur Anwendungsorientierung unter einem Dach – und ist damit in einer einzigartigen Position, diese Transformation voranzutreiben. Damit bietet das KIT als Exzellenzuniversität seinen mehr als 10 000 Mitarbeitenden sowie seinen 22 800 Studierenden herausragende Möglichkeiten, eine nachhaltige und resiliente Zukunft zu gestalten. KIT – Science for Impact.

rl, 12.02.2018

 

Christian Könemann
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