Presseinformation 169/2017

Science: Metamaterial mit Dreheffekt

Wissenschaftler des KIT haben ein dreidimensionales Material entworfen, das lineare Druckkräfte in eine Drehbewegung umsetzt / Veröffentlichung im Fachmagazin Science
Kräfte von oben werden über Stege auf die senkrecht stehenden Ringstrukturen übertragen. Deren Rotation übt zieht an den Ecken der waagerechten Flächen des Würfels. (T.Frenzel/KIT)
Kräfte von oben werden über Stege auf die senkrecht stehenden Ringstrukturen übertragen. Deren Rotation zieht an den Ecken der waagerechten Flächen des Würfels. (T.Frenzel/KIT)

Mit 3D-Druckern für den Mikrobereich ist es Forschern des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) gelungen ein Metamaterial aus würfelförmigen Bausteinen zu schaffen, das auf Druckkräfte mit einer Rotation antwortet. Üblicherweise gelingt dies nur mit Hilfe einer Übersetzung wie zum Beispiel einer Kurbelwelle. Das ausgeklügelte Design aus Streben und Ringstrukturen, sowie die zu Grunde liegende Mathematik stellen die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Science vor. 

 

„Übt man Kraft von oben auf einen Materialblock aus, dann deformiert sich dieser in unterschiedlicher Weise. Er kann sich ausbuchten, zusammenstauchen oder knicken“, sagt Martin Wegener, Professor am Institut für Angewandte Physik und Direktor am Institut für Nanotechnologie am KIT. „Drehen wird er sich nach den geltenden Regeln der Mechanik aber nicht“, betont er. Seinem Mitarbeiter Tobias Frenzel und Kollegen ist es nun jedoch gelungen, eine filigrane Würfelstruktur zu entwerfen, die auf Belastung mit einer Rotation um die eigene Achse reagiert.

 

„Zunächst haben wir per Computersimulation ein Design erarbeitet, das eine solche, bisher nicht beschriebene mechanische Eigenschaft aufweist“, erklärt Frenzel, Erstautor der Studie, das Vorgehen. „Unsere Berechnungen zeigten, dass wir mit einer durchdachten chiralen Struktur das gewünschte Ergebnis erzielen – also einem Körper, dessen Bild und Spiegelbild nicht deckungsgleich sind – in etwa wie bei der linken und rechten Hand.“

 

Die von Frenzel und seinem Team errechneten filigranen Würfel bestehen aus Streben und Ringen die nach einem ganz bestimmten Muster miteinander verbunden sind. „Die Arme, welche die Ringstrukturen mit den Ecken des Würfels verbinden, bewegen sich bei Belastung in der Senkrechten nach unten. Diese Bewegung führt zu einer Rotation der Ringe“, verdeutlicht Frenzel. „Diese rotierenden Bewegungen übertragen wiederum Kräfte auf die Ecken der waagerechten Flächen des Würfels, so dass sich der gesamte Körper um die eigene Achse zu drehen beginnt.“

 

Türme aus bis zu 500 chiralen Würfelstrukturen rotierten bei Belastung um die eigene Achse. Achirale Strukturen zeigen diese Eigenschaft nicht. (T.Frenzel/KIT)

 

Anschließend stellte das Team mit einer am KIT etablierten 3D-Mikro-Druckmethode Türme aus ebendiesen Würfelstrukturen in unterschiedlichen Größen, Stärken und Stückzahlen her. Die Kantenlänge der Würfel maß zwischen 100 und 500 Mikrometer. Sie konstruierten daraus Türme welche aus vier bis 500 Würfeln zusammengesetzt waren und 2 Millimeter Höhe aufwiesen. Um ihre Theorie zu überprüfen, produzierten sie die gleichen Türme aus achiralen Würfeln, solchen also, deren Bild und Spiegelbild übereinstimmen.

 

Tatsächlich drehten sich die aus chiralen Bausteinen zusammengesetzten Türme unter Krafteinwirkung deutlich messbar um ihre eigene Achse. „Je einem Prozent Deformation konnten wir eine Drehung um bis zu zwei Grad messen“, bestätigt Frenzel die Ergebnisse. Die Türme aus achiralen Würfelstrukturen zeigten diese Rotation hingegen nicht. Gleichzeitig stellten die Forscher fest, dass die Steifigkeit der Türme mit der Zahl der Würfel zunahm, obwohl die Einzelbauteile proportional immer filigranere Dimensionen einnahmen.

 

Eine praktische Anwendung liegt nach Einschätzung von Tobias Frenzel noch in weiter Ferne. Inspiriert wurde die Arbeit jedoch von vorangegangenen Studien seiner Arbeitsgruppe, die sich mit elastischen „Tarnkappen“ beschäftigt. Diese könnten zum Beispiel die Stoßwellen von Erdbeben rund um historische Gebäude abpuffern oder umleiten.

 

Mehr Information:

http://science.sciencemag.org/content/358/6366/1072

 

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.

bsb, 24.11.2017
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