Presseinformation 135/2017

Science: Botschafter aus fernen Galaxien

Wissenschaftler der Pierre-Auger-Kollaboration weisen extragalaktische Herkunft hochenergetischer kosmischer Strahlung nach / Veröffentlichung in Science
Hochenergetische kosmische Strahlung erreicht die Erde aus einer Vorzugsrich-tung (rot), die aber nicht mit dem Zentrum unserer Milchstraße übereinstimmt. (Graphik: Pierre-Auger-Observatorium/KIT)
Hochenergetische kosmische Strahlung erreicht die Erde aus einer Vorzugsrich-tung (rot), die aber nicht mit dem Zentrum unserer Milchstraße übereinstimmt. (Graphik: Pierre-Auger-Observatorium/KIT)

Kosmische Strahlung mit sehr hoher Energie hat ihren Ursprung außerhalb unserer eigenen Galaxie, der Milchstraße. Darauf weist die Untersuchung der Einfallsrichtung von mehr als 30.000 Teilchen am Pierre-Auger-Observatorium in Argentinien hin, die nun im Fachmagazin Science erscheinen. Das Forschungsergebnis am weltweit größten Experiment zur Messung kosmischer Strahlung, dessen Projektmanagement-Office am KIT ist, ist ein weiterer bedeutender Schritt auf dem Weg, grundlegende Fragen über die Ursprünge des Universums zu beantworten.

 

Seit Anfang der 1960er Jahre weiß man von der Existenz hochenergetischer kosmischer Teilchen, die in die Erdatmosphäre eintreten. Seither rätselt die Wissenschaft, woher diese Teilchen kommen und welcher Prozess ihnen die hohe Energie verleiht. Die aktuelle Entdeckung am Pierre-Auger-Observatorium belegt jetzt erstmals einen extragalaktischen Ursprung dieser Teilchen. Über ihre Beobachtung berichten die Forscher der Pierre-Auger-Kollaboration in der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift Science unter dem Titel „Observation of a Large-scale Anisotropy in the Arrival Directions of Cosmic Rays above 8×10^18 eV“. Sie haben festgestellt, dass die kosmische Strahlung bevorzugt aus einer Richtung in die Erdatmosphäre eintreten, die 120 Grad vom Zentrum der Milchstraße abweicht. Damit können sie nicht aus unserer Galaxie stammen. Ihre eigentliche Quelle lässt sich zwar noch nicht bestimmen, da die Teilchen auf ihrem Weg zur Erde durch galaktische und extragalaktische Magnetfelder stark abgelenkt werden. Aufgrund der Vorzugsrichtung kann ihr Ursprungsort jedoch in der kosmologischen Nachbarschaft der Milchstraße angenommen werden, die eine hohe Dichte von Galaxien aufweist.

 

Impressionen vom Standort des Pierre-Auger-Observatorium in der Argentinischen Pampa. (Bild Pier-re-Auger-Observatorium /KIT

 

Impressionen vom Standort des Pierre-Auger-Observatorium in der Argentinischen Pampa. (Bild Pier-re-Auger-Observatorium /KIT

 

Impressionen vom Standort des Pierre-Auger-Observatorium in der Argentinischen Pampa. (Bild Pier-re-Auger-Observatorium /KIT

Impressionen vom Standort des Pierre-Auger-Observatorium in der Argentinischen Pampa. (Bild Pierre-Auger-Observatorium /KIT)

 

„In der Astroteilchenphysik sind wir zumeist auf Vermutungen und Indizien angewiesen, jetzt ist erstmals signifikant, dass es eine Vorzugsrichtung gibt, aus der die Strahlung kommt, das bedeutet einen sehr großen Schritt für unsere Forschung“, betont Dr. Markus Roth, stellvertretender Leiter der Gruppe Pierre Auger am Institut für Kernphysik des KIT. „Die kosmischen Strahlen sind Botschafter, durch die wir etwas über den Ursprung des Universums lernen, sie ermöglichen einen Blick zurück in die Geschichte des Kosmos“, so der Physiker.

 

Die hochenergetische kosmische Strahlung erreicht unsere Erde nur selten, pro Jahr trifft ein Teilchen auf die Fläche eines Quadratkilometers, was nicht einmal einem Einschlag pro Jahrhundert auf einem durchschnittlichen Fußballfeld entspricht. Nachweisen lassen sie sich auf der Erde indirekt: Die kosmische Strahlung selbst dringt nicht bis zum Erdboden vor, sondern stößt in der oberen Erdatmosphäre mit Atomkernen zusammen, wodurch Kaskaden neuer Teilchen - Luftschauer mit mehr als zehn Milliarden Teilchen - entstehen, die auf die Erdoberfläche gelangen. Diese Sekundärteilchen werden mit den Detektoranlagen des Pierre-Auger-Observatoriums gemessen, das eine Fläche von 3.000 Quadratkilometern in der argentinischen Pampa bei Malargüe umfasst. Dort fangen 1.660 Wassertanks, die jeweils zwölf Kubikmeter hochreinen Wassers enthalten, sowie 27 Teleskope die indirekten Lichtsignale der Sekundärteilchen auf. Die dabei registrierten Lichtpulse ermöglichen Rückschlüsse auf die Energie und Einfallsrichtung des Ursprungsteilchens.

 

Das Pierre-Auger-Observatorium in der Provinz Mendoza in Argentinien ist das weltweit größte Projekt zur Untersuchung hochenergetischer kosmischer Strahlung. Mehr als 400 Wissenschaftler aus 18 Ländern arbeiten in der Forschungs-Kollaboration zusammen. Aus Deutschland sind neben dem KIT die RWTH-Aachen sowie die Universitäten Hamburg, Siegen und Wuppertal beteiligt, wobei das KIT das Projektmanagement des Pierre Auger-Observatoriums inne hat und federführend für den Aufbau der Fluoreszenzteleskope verantwortlich war. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat für den Förderzeitraum 2011 bis 2017 rund 8,3 Millionen Euro bereitgestellt. „Seit vier Jahren planen wir die Erweiterung des Observatoriums zu AugerPrime“, sagt Roth. Durch einen zusätzlichen Detektor, der in internationaler Zusammenarbeit am KIT gebaut wird, erwarten die Forscher qualitativ und quantitativ noch präzisere Messungen. Dafür wollen sie ab 2018 Teilchen näher untersuchen, deren Energie zwischen 10 und 100 Mal höher ist. Sie treten mit einer Wucht in die Erdatmosphäre ein, die die Energie eines stark geschlagenen Tennisballs hat. Da sie leichter und energiereicher sind, lassen sie sich auf ihrem Weg zur Erde weniger ablenken, deshalb erwarten die Wissenschaftler durch sie genauere Hinweise auf die Quellregion der hochenergetischen kosmischen Strahlung. „Wir werden in Zukunft einen viel tieferen Einblick in die Geschehnisse des Universums erhalten“, sagt Roth.

 

Referenz: Observation of a Large-scale Anisotropy in the Arrival Directions of Cosmic Rays above 8×10^18 eV, The Pierre Auger Collaboration, Science 357 (2017), DOI: 10.1126/science.aan4338, link: http://science.sciencemag.org/cgi/doi/10.1126/science.aan4338.

 

Das Science Magazin hat für Journalisten ein spezielles Science press package mit weiteren Informationen zu dem Artikel vorbereitet. Es ist online unter http://www.eurekalert.org/jrnls/sci abrufbar. Hierzu sind user-ID und Passwort erforderlich. Wenden Sie sich ggf. telefonisch an +1- 202-326-6440 oder per email anscipak does-not-exist.aaas org.

 

Weitere Materialien: Video: Die Reise der kosmischen Strahlung

kit.edu/downloads/pi/thelongtravelofcosmicrays.mov

 

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.

afr, 22.09.2017
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