Presseinformation 036/2016

Öl- und Gas-Boom lässt Methan-Ausstoß ansteigen

Studie des KIT zeigt den Zusammenhang zwischen der Förderung von Öl und Erdgas in den USA und der Zunahme der Methan-Konzentration in der Atmosphäre
Gipfelobservatorium des KIT auf der Zugspitze mit Kuppel für die optische Vertikalsondierung von Methan und Ethan (Foto: Gabi Zachmann, KIT)
Gipfelobservatorium des KIT auf der Zugspitze mit Kuppel für die optische Vertikalsondierung von Methan und Ethan (Foto: Gabi Zachmann, KIT)

Methan ist wie Kohlendioxid eines der wesentlichen Treibhausgase. Während die Konzentration von Methan in der Atmosphäre um die Jahrtausendwende stagnierte, steigt sie seit 2007 wieder stark an. Die Ursache hierfür war bislang nicht bekannt. Eine aktuelle Studie von Klimaforschern des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) zeigt nun, dass mindestens 40 Prozent dieses Anstiegs auf die Zunahme der Erdöl- und Erdgasproduktion auf der Nordhalbkugel zurückzuführen sind. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler im Journal „Atmospheric Chemistry and Physics“ veröffentlicht. (DOI:10.5194/acp-16-3227-2016)

 

„Gelungen ist uns die Zuordnung zum Öl- und Gassektor über eine vertikale Vermessung der Ethan- und Methangehalte zwischen Boden und den obersten Schichten der Erdatmosphäre“, sagt der Initiator der Studie Privatdozent Ralf Sussmann vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU) des KIT. Neben den Emissionen von thermogenem Methan, das in tiefgelegenen Gesteinsschichten bei hohen Temperaturen entstanden ist und bei der Öl- und Gasproduktion in die Atmosphäre entweichen kann, seien verstärkte biogene Emissionen durch Fäulnisprozesse eine weitere Quelle. Der entsprechende Beitrag etwa aus Feuchtegebieten oder der Tierhaltung werde derzeit parallel von anderen Forschergruppen untersucht. Wesentlich für die Quantifizierung von thermogenen Quellen ist Ethan – wie Methan eine Kohlenwasserstoffverbindung und einer der Hauptbestandteile von Erdgas. „Bei biogenen Methanquellen fällt Ethan dagegen nicht an“, erläutert Petra Hausmann, Doktorandin im Team von Sussmann.

 

Der Studie liegen Langzeitmessungen sowohl des Observatoriums des KIT auf der Zugspitze als auch von Klimaforschern des National Institute of Water and Atmospheric Research im neuseeländischen Lauder zugrunde. Die Messungen sind repräsentativ für die Hintergrundkonzentration von Methan und Ethan in beiden Hemisphären der Erde. Während die Messungen auf der Zugspitze eine signifikante Korrelation zwischen Ethan und Methan zeigen, das heißt einen gemeinsamen plötzlichen Anstieg beider Spurengase ab 2007, ist in Lauder ein vergleichbarer Neuanstieg nur für Methan zu beobachten. Aus der Analyse dieser Messergebnisse folgerten die Wissenschaftler, dass zum einen ein mindestens 40-prozentiger Beitrag zum weltweiten Methananstieg seit 2007 dem Öl- und Gas-Sektor zuzuschreiben ist und die beobachteten Emissionen zum anderen in der nördlichen Hemisphäre erfolgt sein müssen.

 

Kuppel für die optische Vertikalsondierung von Methan und Ethan (Foto: Ralf Sussmann, KIT)

Kuppel für die optische Vertikalsondierung von Methan und Ethan (Foto: Ralf Sussmann, KIT)

 

Aktuelle Untersuchungen biogener Quellen von Kollegen aus Neuseeland belegten zwar, dass der Hauptbeitrag zum neuerlichen Methananstieg seit 2007 biogenen Ursprungs ist (Schaefer et al. in Science). „Das ist jedoch in Übereinstimmung mit unserem Ergebnis des mindestens 40-prozentigen thermogenen Beitrags“, erläutert Sussmann. Insgesamt zeichne sich ab, dass ansteigende Emissionen aus dem Erdöl- und Erdgas-Sektor in Kombination mit Emissionen aus Feuchtegebieten und möglicherweise aus der Tierhaltung den neuerlichen Methananstieg im letzten Jahrzehnt verursacht haben.

 

Observatorium des KIT auf dem Zugspitze-Gipfel (Foto: Hannes Vogelmann, KIT)

Observatorium des KIT auf dem Zugspitze-Gipfel (Foto: Hannes Vogelmann, KIT)

 

Erdgas – klimafreundlicher als Kohle?


Für den Zeitraum bis zum vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energien gilt bislang Erdgas als die klimafreundlichere Alternative zur Kohle, da bei seiner Verbrennung nur etwa halb so viel Kohlendioxid entsteht. Das hydraulische Aufbrechen von Gesteinsschichten („Fracking“) zur unkonventionellen Gewinnung von Erdgas wird daher als Brückentechnologie diskutiert.

 

Das Ergebnis der aktuellen Studie des KIT hat für die Wissenschaftler auch politische Relevanz, weil es einen Zusammenhang mit dem nordamerikanischen Öl- und Gas-Boom nahelegt, der etwa zeitgleich vor rund zehn Jahren einsetzte. Unter der Annahme, dass der Öl- und Gasboom hauptsächlich in den USA stattgefunden hat, widersprechen die aktuellen Ergebnisse den offiziellen Schätzungen der U.S. Environmental Protection Agency (EPA), die für die USA von konstant niedrigen beziehungsweise sogar abnehmenden Methanemissionen aus dem Öl- und Gassektor in den vergangenen zehn Jahren berichtet. Eine verwandte Studie aus den USA zeigte kürzlich anhand von Satellitendaten, dass die amerikanischen Methanemissionen zwischen 2002 und 2014 um mehr als 30 Prozent zugenommen hatten (Turner et al. in Geophysical Research Letters). Auch dieses Ergebnis, so Sussmann, widerspreche den EPA-Angaben, die in den USA keinen Anstieg der menschgemachten Methanemissionen ausweisen.

 

Eine mögliche Erklärung zumindest für einen Teil dieser Unstimmigkeiten sieht Ralf Sussmann in einer zu niedrigen Berechnung der Leckraten bei der Produktion und dem Verbrauch von Erdöl und Erdgas. Während die EPA hierfür Hochrechnungen aus Stichproben zum Beispiel an einzelnen Bohrtürmen und Kraftwerken verwende („Bottom-up“-Schätzung), greife die Studie des KIT auf repräsentative atmosphärische Hintergrundmessungen zurück („Top-down“-Verfahren). Aktuelles Beispiel für ein Gasleck ist das im kalifornischen Alison Canyon, aus dem zwischen Oktober 2015 und Februar 2016 rund 100.000 Tonnen Methan austraten.

 

„Auf langfristigen Zeitskalen von vielen Jahrzehnten ist generell mit einem Klimavorteil durch Erdgas zu rechnen. Auf kürzeren Zeitskalen kommt dieser Vorteil jedoch bereits dann nicht zum Tragen, wenn die Leckraten der Erdgasproduktion einen relativ geringen Schwellwert von nur einigen wenigen Prozent überschreiten“, sagt Sussmann. Der Grund: Das durch Lecks in die Atmosphäre entweichende Methan ist zwar kurzlebiger, aber, bei gleichen Mengen, ein wesentlich stärkeres Treibhausgas als Kohlendioxid.

 

Das Wissenschaftlerteam des KIT sieht weiteren Forschungsbedarf, um die Unstimmigkeit zwischen amtlichen Hochrechnungen und wissenschaftlichen Messungen zu klären. Zudem existieren in den USA bereits weitreichende technische Entwicklungskonzepte, um die Erdgas-Leckraten zu senken. „Von der schnellen und lückenlosen Realisierung dieser Minderungsmaßnahmen wird es abhängen, ob die unkonventionelle Erdgasproduktion auf kurzen Brücken-Zeitskalen als klimafreundliche Alternative zur Kohleverbrennung zum Tragen kommen kann“, so Ralf Sussmann. 

 

Literatur


Petra Hausmann, Ralf Sussmann, and Dan Smale: Contribution of oil
and natural gas production to renewed increase in atmospheric methane (2007–2014): top-down estimate from ethane and methane column observations, http://www.atmos-chem-phys.net/16/3227/2016/

 

Details zum KIT-Zentrum Klima und Umwelt: http://www.klima-umwelt.kit.edu

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 9 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 300 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.

le, 14.03.2016
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