Presseinformation 068/2009

Wohlbekannt, doch ausbaufähig

Erste repräsentative Befragung zum deutschen Petitionswesen mit überraschenden Ergebnissen
Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages
Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages bei einer öffentlichen Beratung

Zwei von drei Deutschen ist das Petitionsrecht ein Begriff, jeder Fünfte hat schon einmal Gebrauch davon gemacht. Eingebracht werden Petitionen zumeist von älteren, gut gebildeten Männern, wobei den Petenten eine gründliche Behandlung ihres Anliegens wichtiger ist als eine schnelle Antwort. Signifikante Unterschiede zwischen neuen und alten Bundesländern sind nicht zu beobachten. Zu diesen Ergebnissen kommt das vom KIT betriebene „Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag“ in der ersten repräsentativen Befragung zum deutschen Petitionswesen. Auf der heutigen Jahrespressekonferenz des Bundestags-Petitionsausschusses wird sie der Öffentlichkeit in Anwesenheit von Bundestagspräsident Norbert Lammert vorgestellt.

Die Möglichkeit, Petitionen an Behörden oder Parlamente zu richten, gehört in Deutschland zu den grundgesetzlich garantierten Bürgerrechten. Meist handelt es sich dabei um Beschwerden oder um Bitten, bestimmte Gesetze zu ändern bzw. zu beschließen. Daten zur Bekanntheit und zur Nutzung des Petitionsrechts lagen für Deutschland bisher nicht vor. Mit der im Auftrag des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) durchgeführten Befragung „Bekanntheit und Ansehen des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages und Nutzung des Petitionsrechts in Deutschland“ konnte diese Wissenslücke nun geschlossen werden. Das TAB mit Sitz in Berlin wird vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des KIT betrieben.

Im Hinblick auf Bekanntheit und Nutzung des Petitionsrechts stellte sich heraus, dass 67,1 % der Bevölkerung vom Petitionsrecht schon einmal gehört und 21,4 % es mindestens einmal selbst genutzt haben (durch Unterstützung oder eigene Einreichung einer Petition). 19,3 % der Bevölkerung haben eine Sammel- oder Massenpetition durch ihre Unterschrift unterstützt und 3,6 % eine Petition selbst initiiert und eingereicht. Die überwiegenden Nutzer des Petitionsrechts sind ältere, gut gebildete, an Politik interessierte, internetversierte Männer. Die ost- und die westdeutsche Bevölkerung unterscheidet sich, was Bekanntheit und Nutzung des Petitionsrechts angeht, nicht voneinander. „Während der erste Befund“, so Projektleiter Ulrich Riehm vom Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag, „unseren Erwartungen entspricht, ist das zweite Ergebnis überraschend, da die Bevölkerung in den neuen Bundesländern in Bezug auf Petitionen bislang als aktiver galt.“

Unter den möglichen Adressaten für eine Petition (Petitionsausschüsse und Bürgerbeauftragte der Bundesländer, Petitionsausschuss und Bürgerbeauftragter des Europäischen Parlaments) ist der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages der bekannteste; 52,4 % haben von ihm bereits einmal gehört. Zugleich steht das Petitionswesen in Konkurrenz zu anderen Verfahren der politischen Teilhabe. Hier übertreffen die Beteiligungsquoten an Unterschriftensammlungen (64,5 %), Demonstrationen (41,2 %), öffentlichen politischen Diskussionen (39,6 %) und direkter Ansprache von Vertretern der Politik oder der Verwaltung (35,6 %) deutlich jene 21,4 %, die sich an Petitionen beteiligt haben. „Dennoch zeugt die Tatsache“, so Ulrich Riehm, „dass rund jeder fünfte Deutsche sich schon einmal des Instruments der Petition bedient hat, davon, dass dieses Grundrecht für die Bevölkerung durchaus einen Stellenwert hat.“

Bei der Behandlung ihrer Petition durch den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages steht für 37,7 % der Befragten die Gründlichkeit der Bearbeitung an erster Stelle, gefolgt von einer verständlichen Rückmeldung und einer raschen Behandlung. Bislang wurden in der Öffentlichkeit vor allem die langen Bearbeitungszeiten im Petitionsverfahren kritisiert. Überraschend ist auch die Bewertung unterschiedlicher Einreichungswege für eine Petition an den Deutschen Bundestag: 48,0 % favorisieren den Brief, 26,7 % die persönliche Vorsprache und 18,1 % die Einreichung über das Internet. In der Altersgruppe bis 24 Jahre wird die persönliche Vorsprache – die derzeit gar nicht vorgesehen ist – sogar bevorzugt. Hier zeigt sich, dass die Ergänzung des bisherigen Einreichungsmediums Brief durch das Internet durchaus noch nicht alle Wünsche der Bevölkerung im Hinblick auf einen einfachen Zugang zum Petitionsausschuss erfüllt.

Insgesamt wurden im November 2008 1.014 Personen telefonisch befragt. Die Umfrage ist repräsentativ für die deutsche Wohnbevölkerung ab 16 Jahren, für die befragten ausländischen Staatsangehörigen gilt nur eine eingeschränkte Repräsentativität. Die Befragung ist Bestandteil des Technikfolgenabschätzungsprojekts „Öffentliche elektronische Petitionen und bürgerschaftliche Teilhabe“, das vom TAB im Auftrag des Bundestages in den Jahren 2006 bis 2008 durchgeführt worden ist. Anlass war der im September 2005 begonnene Modellversuch „Öffentliche Petitionen“, in dem der Bundestag das Internet in das Petitionsverfahren einbezog. Petitionen können seither auch elektronisch übermittelt, im Internet unterstützend mitgezeichnet sowie in Foren diskutiert werden.

Die Berliner Technikforscher des TAB haben den Modellversuch „Öffentliche Petitionen“ wissenschaftlich begleitet, nach Erträgen und Folgen gefragt und die Analysen in den Kontext der Entwicklung des Petitionswesens und der E-Demokratie gestellt. Die Elemente des Modellversuchs wurden von den Befragten positiv bewertet: Die seit 2005 angebotenen Möglichkeiten, sich über Petitionen im Internet zu informieren, finden 73,0 % der Befragten gut oder sehr gut. 65,8 % beurteilen die Diskussionsmöglichkeiten und 59,4 % die Möglichkeit der Mitzeichnung von Petitionen im Internet als gut oder sehr gut.

Die Ergebnisse der Befragung sind erschienen als TAB-Hintergrundpapier Nr. 17; es ist zu beziehen über das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag oder kann vom Webangebot des TAB heruntergeladen werden. Der Abschlussbericht des Gesamtprojekts ist im Juni 2009 in Buchform erschienen (Ulrich Riehm, Christopher Coenen, Ralf Lindner, Clemens Blümel: Bürgerbeteiligung durch E-Petitionen. Analysen von Kontinuität und Wandel im Petitionswesen, Edition Sigma, ISBN 978-3-8360-8129-0)..

Im Karlsruher Institut für Technologie (KIT) schließen sich das Forschungszentrum Karlsruhe in der Helmholtz-Gemeinschaft und die Universität Karlsruhe zusammen. Damit wird eine Einrichtung international herausragender Forschung und Lehre in den Natur- und Ingenieurwissenschaften aufgebaut. Im KIT arbeiten insgesamt 8000 Beschäftigte mit einem jährlichen Budget von 700 Millionen Euro. Das KIT baut auf das Wissensdreieck Forschung – Lehre – Innovation.

Die Karlsruher Einrichtung ist ein führendes europäisches Energieforschungszentrum und spielt in den Nanowissenschaften eine weltweit sichtbare Rolle. KIT setzt neue Maßstäbe in der Lehre und Nachwuchsförderung und zieht Spitzenwissenschaftler aus aller Welt an. Zudem ist das KIT ein führender Innovationspartner für die Wirtschaft.

jha, 30.06.2009
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