Kosmisches Licht am Ende des Tunnels

In einem Workshop wurden die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der Synchrotron-basierten Circulardichroismus-Spektroskopie in der strukturbiologischen Forschung vorgestellt und diskutiert.

CD12 hatte sich bereits während seiner nur fünfjährigen Betriebszeit in Daresbury als das weltweit leistungsfähigste Strahlrohr für ein spektroskopisches Verfahren erwiesen, das Biologen und Chemiker vor allem zur dreidimensionalen Beschreibung von Biomakromolekülen wie Proteinen (Eiweißstoffen), Zuckern und Nukleinsäuren einsetzen.

In der sogenannten UVCD-Spektroskopie wird unter Ultrahochvakuum zirkular polarisiertes Licht aus dem Teilchenbeschleuniger genutzt, welches um Größenordnungen intensiver ist als bei einem konventionellen Laborgerät. Da fast alle biologisch vorkommenden Moleküle eine sogenannte optische Aktivität besitzen, d.h. eine „Händigkeit“ über die sie mit zirkular polarisiertem Licht in Wechselwirkung treten, lassen sich somit auf schnelle und hochempfindliche Weise viele direkte Rückschlüsse auf die dreidimensionalen Molekülstrukturen ziehen.

Professorin Anne S. Ulrich, Direktorin des IBG-2 und Lehrstuhls für Biochemie am KIT, beschrieb in ihrem Einführungsvortrag, wie sich mit Circulardichroismus das Verhalten von Eiweißmolekülen beobachten lässt, die an zellulären Membranen ihre Wirkung entfalten oder aber ihr Unwesen treiben. Beispielsweise gruppieren sich antimikrobielle Peptide zu einer Pore und bohren regelrechte Löcher in die Zellhülle von Bakterien, um diese abzutöten.

Viele pharmazeutisch interessante Peptide, die nach ähnlichen Bauprinzipien entwickelt wurden, werden hingegen unwirksam, sobald sie mit einer Zellmembran in Kontakt kommen. Strukturelle CD-Untersuchungen haben gezeigt, dass sie aneinander kleben bleiben und Aggregate bilden – ähnlich wie die Ablagerungen bei der Alzheimer-Krankheit oder beim Rinderwahn.

Auch der Transport von Molekülen durch Zellmembranen hindurch, oder die Wirkung eines Hormons auf einen zellulären Rezeptor beruht auf größeren Proteinen, die ihre Strukturänderungen mechanisch über steife helikale Bauteile aneinander weitervermitteln.

Diese und andere Fragen beschäftigen die Forscher am KIT im Rahmen des Helmholtz-finanzierten Programmes „BioGrenzflächen“ und des DFG-finanzierten „Centrums für Funktionelle Nanostrukturen“, die die Kosten für Transport, Aufbau und Anpassungen der CD12-Beamline an ANKA zusammen mit dem Helmholtz-Programm „Photonen, Neutronen und Ionen“ gemeinsam geschultert haben.

Weitere Vorträge beim CD12 Workshop behandelten den Bruch der molekularen Symmetrie bzw. der „Händigkeit“ in unserer belebten Welt, die nahezu ausschließlich aus den optisch aktiven L Aminosäuren und D Zuckern aufgebaut ist.

So erklärte Dr. Søren Hoffmann vom dänischen Synchrotron in Århus, dass bereits in der Urzeit Meteoriten aus dem Weltall einen Überschuss dieser Moleküle auf die Erde getragen hätten, da eine intensive kosmische, zirkular polarisierte Strahlung – ähnlich wie sie bei der UVCD Methode eingesetzt wird – die dazu spiegelsymmetrischen Moleküle abgebaut habe.

Weitere Redner waren die international renommierten Experten Professor Bonnie Wallace und Professor Robert Janes von der University of London, die anhand vieler Beispiele zeigten, dass sich die Synchrotronstrahlung hervorragend eignet zur Messung von Protein-Komplexen und Protein-Ligand-Wechselwirkungen, zur Erfassung von dynamischen Prozessen der Proteinfaltung und der Kinetik von Enzymreaktionen, oder auch zur Identifizierung von intrinsisch unstrukturierten Bereichen in Proteinen.

Dies wird erst durch die um Größenordnungen höhere Flussdichte von Synchrotronlicht möglich, wodurch CD-Spektren bis in den kurzwelligen Vakuum-UV-Spektralbereich bei exzellentem Signal/Rauschverhältnis gemessen werden können und somit auch Proteine in der Gegenwart stark absorbierender Begleitkomponenten wie Lipiden, Detergenzien, Puffersubstanzen oder Salzen erfassbar sind.

In Kombination mit weiteren biophysikalischen Methoden wie der Kernmagnetischen Resonanz (NMR) und der Infrarot-Spektroskopie, die am KIT gut etabliert sind, kann die UVCD-Technik nun wichtige Beiträge zur Erforschung aktueller biologischer Fragestellungen liefern.

Bei einer abschließenden Besichtigung der Beamline und einer Podiumsdiskussion beantworteten die für die Beamline verantwortlichen Wissenschaftler Dr. Jochen Bürck und Dr. David Moss Fragen des Auditoriums zu den praktischen Aspekten der Experimente und den zukünftigen Zugangsmöglichkeiten. Der Nutzer-Betrieb soll noch Ende des Jahres aufgenommen werden, damit es nun auch in Karlsruhe Licht werde – kosmisches Licht am Ende des 15 Meter langen CD12-Tunnels.


Dr. Jochen Bürck/Professorin Anne S. Ulrich (IBG-2), 26.11.2010