Presseinformation 113/2017

Bye bye Elfenbeinturm – Hello offene Wissenschaft

Experten für Technikfolgenabschätzung des KIT untersuchen Chancen und Risiken von „Open Science“
Die Zusammenarbeit von Forschern und Bürgern, wie hier beim Bürgerforum des KIT zum Forschungsprojekt „Quartier Zukunft“, kann dabei helfen, die gesellschaftliche Relevanz von Forschung zu verbessern.
Die Zusammenarbeit von Forschern und Bürgern, wie hier beim Bürgerforum des KIT zum Forschungsprojekt „Quartier Zukunft“, kann dabei helfen, die gesellschaftliche Relevanz von Forschung zu verbessern. (Bild: KIT)

„Open Science“ soll Wissenschaft transparenter und demokratischer machen und Forschenden neue Perspektiven eröffnen. Was genau sich hinter dem Schlagwort der „Offenen Wissenschaft“ verbirgt und ob die enormen Erwartungen realistisch sind, haben Experten für Technikfolgenabschätzung des Karlsruher Instituts für Technologie und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften untersucht. Ihre Ergebnisse haben sie jetzt in der Fachzeitschirft TATuP – Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis veröffentlicht.

 

„In Zeiten von Fake News, Klimaleugnern und Impfgegnern steht die Wissenschaft zunehmend unter Druck“, stellt Ulrich Riehm vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des KIT fest. „Es ist gut vorstellbar, dass eine breitere Verfügbarkeit wissenschaftlicher Ergebnisse und eine engere Zusammenarbeit von Forschern und Bürgern dabei helfen, die gesellschaftliche Relevanz von Forschung und damit auch ihre Legitimation zu verbessern“.

 

Die Europäische Union und andere Akteure versprächen sich von der Idee der Open Science nicht weniger als eine große Transformation der Wissenschaft und eine gänzlich neue Art wissenschaftlichen Arbeitens, so Riehm weiter. Digitale Kommunikationstechnologien machen es möglich. Weitestgehend offen sei hingegen, wodurch genau sich eine offene Wissenschaft künftig auszeichnen solle. Gemeinsam mit Michael Nentwich, Leiter des Instituts für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, unterscheidet er verschiedene Dimensionen von Open Science: Angefangen beim kostenfreien Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen und Forschungsdaten unter dem Stichwort Open Access, über die gemeinschaftliche  Wissensproduktion – das heißt die Zusammenarbeit auf Plattformen wie Wikipedia – bis hin zur Öffnung des Wissenschaftssystems durch eine enge Zusammenarbeit mit der Bevölkerung.

 

Es gibt viele mitunter stark divergierende Vorstellungen davon, was unter einer offenen Wissenschaft zu verstehen ist und wie sie sich entwickeln könnte. Positiven Folgen, wie einer Erhöhung der Glaubwürdigkeit von Forschung, könnten auch unerwünschte Effekte gegenüberstehen, etwa eine Beschneidung wissenschaftlicher Freiheiten. Die beiden Forscher warnen deshalb davor, mögliche unerwünschte Effekte aus dem Auge zu verlieren. „Man muss sich bewusst sein, dass eine größere Transparenz wissenschaftlicher Praxis ab einem gewissen Punkt auch in Überwachung umschlagen kann“, so Michael Nentwich. Es habe sich auch noch kein Finanzierungsmodell etabliert, das die qualitätsgeprüfte Erstellung wissenschaftlicher Publikationen, deren Verbreitung und langfristige Archivierung garantiere, wenn sämtliche Inhalte kostenlos gelesen und weiterverbreitet werden können. Auch wie eine breite Beteiligung der Öffentlichkeit an Forschungsprojekten in der Praxis organisiert werden kann, wirft etwa Fragen der Qualitätssicherung auf.

 

Aus der Perspektive der Technikfolgenabschätzung sind so ganz unterschiedliche Szenarien denkbar, in welcher Weise die Potenziale von Open Science künftig genützt werden. „Es ist gut möglich, dass Open Science sich zu einem neuen Typus von Wissenschaft entwickelt, der neben der herkömmlichen wissenschaftlichen Praxis existiert“, resümiert Ulrich Riehm. „Das Konzept der Offenen Wissenschaft habe aber durchaus das Potenzial, unser über Jahrhunderte gewachsenes Wissenschaftssystem nachhaltig und unumkehrbar zu verändern.“ Entscheidend sei, dass sich Forschung und Gesellschaft schon heute mit möglichen Konsequenzen auseinan-dersetzen.

 

Aktuelle Ausgabe von TATuP zum Thema Open Science

 

Neu gestaltete Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung

Der Artikel „Open Science zwischen Hype und Disruption“ (U. Riehm und M. Nentwich) und weitere Arbeiten zum Thema sind in der Ausgabe 1-2/2017 von „TATuP – Zeitschrift für Technikfolgenabschät-zung in Theorie und Praxis“ erschienen. Das vom ITAS herausgegebene Journal versteht sich als zentrales Publikationsorgan für das interdisziplinäre Feld der Technikfolgenabschätzung. Mit wissenschaftlichen Artikeln, Rezensionen und Interviews richtet sich die Zeitschrift gleichermaßen an Wissenschaft und interessierte Öffentlichkeit. Seit diesem Sommer erscheint das Journal mit neuer Gestaltung und inhaltlich überarbeitet als Open-Access-Zeitschrift im Münchner oekom verlag. Alle Texte stehen auf www.tatup.de zum Download zur Verfügung.

 

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 9 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 300 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.

jm, 15.08.2017
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